Frühkindliche Sprachförderung
Definition
Frühkindliche Sprachförderung und die Sprachförderung im Kindergarten umfasst Maßnahmen, Materialien und Programme, die darauf abzielen, die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern im Alter von null bis sechs Jahren zu entwickeln und zu stärken. Sie umfasst verschiedene Förderschritte, wie die Förderung
- des Wortschatzes,
- der Grammatik,
- des Sprachverständnisses und
- der kommunikativen Fähigkeiten.
Diese Maßnahmen können in Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Vorschulen und durch Eltern zu Hause umgesetzt werden.
Warum ist Sprache wichtig?
Sprache ist ein grundlegendes Werkzeug für die Kommunikation, das Lernen und die soziale Interaktion. Kinder, die frühzeitig sprachlich gefördert werden, haben bessere Chancen auf eine erfolgreiche schulische Laufbahn und entwickeln stärkere soziale Kompetenzen.
Im Kindergarten kommt es zu einem Rückkopplungsprozess in der direkten Verknüpfung von Spracherwerb und sozialem Lernen im Gehirn. Eine Wechselwirkung tritt ein. Wer über entwickelte Sprachkenntnisse verfügt, lernt besser und schneller, sich auf soziale Regeln einzustellen. Im Kindergarten wollen alle irgendetwas und nicht alle wollen dasselbe. Es muss verhandelt werden, Lösungen müssen gefunden, Kompromisse geschlossen und Verständigungen erzielt werden. Dabei ist Sprache das zentrale Werkzeug. Das sprachliche Vermögen erleichtert dann wieder die Erweiterung der sozialen Kompetenz. War das zwischenmenschliche Miteinander zunächst die Grundbedingung für das Erlernen der Muttersprache, so ist die Muttersprache nun zugleich die beste Grundlage für ein sich entwickelndes Miteinander.
Defizite in der muttersprachlichen Entwicklung erweisen sich schließlich auch als zentrale Hindernisse im weiteren Bildungserwerb. Mangelnde Lesekompetenz oder Leistungsschwächen in mathematischen und naturwissenschaftlichen Bereichen sind oft auf unzureichende sprachliche Entwicklung und Förderung zurückzuführen. Besonders betroffen sind davon Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status und/oder einem Migrationshintergrund.
Wann fängt frühkindliche Sprachbildung an?
Was schon Neugeborene können
Viereinhalb Monate dauert es, bis der Fötus im Mutterleib Ohren herausgebildet hat. Von nun an kann er – eingeschränkt durch die Flüssigkeit, in der er schwimmt – immerhin die Sprachmelodie seiner Mutter und erste Phoneme wahrnehmen. Bald schon folgen prosodische Unterscheidungen hinsichtlich der Intonation von Wörtern oder Sätzen. Daher verfügt das Neugeborene beim Schreien dann schon über eine für seine muttersprachliche Umgebung typische Betonung. Ein Baby aus dem französischen Sprachkontext akzentuiert einen zweisilbigen Ausruf also anders als sein im deutschsprachigen Raum geprägtes Pendant.
Wenn Mütter ihren Ungeborenen Lieder singen, mit ihnen sprechen oder auch Musik vorspielen, verstärkt dies nicht nur die Mutter-Kind-Bindung, sondern stimuliert auch unterschiedliche Sinneserfahrungen.
Wie Babys Muttersprache erwerben
Die Muttersprache ist die Sprache, die ein Baby in Interaktion mit seinem Lebensumfeld erlernt. Die zuständige Hirnareale für diese Lernleistung sind zugleich für soziales Lernen im allgemeinen zuständig. Muttersprachlicher Spracherwerb und ein regelgeleiteter Austausch mit den Menschen im direkten Umfeld sind also aufs Engste miteinander verbunden. Ein Baby lernt eine Muttersprache nicht über die nebenbei wahrgenommenen Unterhaltungen in Supermarkt oder U-Bahn und auch nicht über Sprachberieselung durch Fernsehen oder Hörspiele. Dementsprechend zeigen Forschungsergebnisse, dass allein die direkte Interaktion mit Bezugspersonen zum Erwerb der Muttersprache führt. Ein Baby muss angesprochen werden. Es braucht Blickkontakt und es braucht eine alterstypische Kommunikation. Die vereinfachten und in der Tonlage erhöhten Sprachmuster, in die Erwachsene im Umgang mit Babys intuitiv verfallen, erleichtern tatsächlich dem Säugling die ersten Lernschritte.
Wenn ein Kleinkind dann in den Kindergarten kommt, neigt sich die effektivste Lebensphase für das Erlernen einer oder mehrerer Muttersprachen in der Regeln dem Ende zu. Das Zeitfenster für das spontane Erlernen einer Sprache schließt sich nach dem dritten Lebensjahr. Kleinkinder, die im Kindergartenalter nur über wenige oder keine Deutschkenntnisse verfügen, können ein muttersprachliches Niveau nur noch über einen deutlich erhöhten Aufwand erreichen.
Herausforderungen in Bezug auf die frühkindliche Sprachförderung
Migration und sprachliche Herausforderungen
In Deutschland gibt es eine hohe Anzahl an Kindern mit Migrationshintergrund, die zu Hause ihre Muttersprache sprechen. Die Herausforderung, Deutsch als Zweitsprache zu erlernen, erschwert den schulischen Bildungsweg und die soziale Integration. Laut dem Statistischen Bundesamt aus dem Jahr 2020 haben in Deutschland etwa 38% der Kinder unter sechs Jahren einen Migrationshintergrund. Diese Kinder benötigen gezielte sprachliche Unterstützung, um erfolgreich am Bildungssystem teilzuhaben und ihr Potential auszuleben.
LingoCards Sachen machen, Wortschatz-Spiel, ab 5 Jahre
LESEpuzzles: Wortfamilien, Gegensätze, Reimwörter, 6-9 Jahre
Wörterwald, Wortfindungsspiel, ab 6 Jahre
Analphabetismus und schulische Herausforderungen
Ein weiteres Problem in Deutschland ist die hohe Zahl von funktionalen Analphabeten. Laut einer Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2018 sind etwa 6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland nicht in der Lage, einfache Texte zu lesen und zu schreiben. Viele dieser Menschen hatten bereits im Kindesalter Probleme mit dem Spracherwerb. Dies zeigt, wie wichtig frühkindliche Sprachförderung ist, um spätere Schwierigkeiten zu vermeiden.
Heterogene Schulklassen
Die Klassen in deutschen Schulen sind oft heterogen und nicht gleichmäßig durchmischt. Kinder aus unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Hintergründen sowie aus bildungsfernen Familien bringen verschiedene Vorkenntnisse und Fähigkeiten mit. Dies erschwert den Unterricht und die individuelle Förderung. Auch deshalb ist frühkindliche Sprachförderung äußerst wichtig, denn sie trägt dazu bei, diese Unterschiede zu verringern und folglich eine gleichmäßige Ausgangsbasis für alle Kinder zu ermöglichen.
Alltagsintegrierte Sprachförderung
Was bedeutet alltagsintegrierte Sprachförderung?
Alltagsintegrierte Sprachförderung bedeutet, dass sprachliche Förderung nicht nur in speziellen Programmen oder Unterrichtseinheiten stattfindet, sondern in den gesamten Alltag der Kinder eingebettet ist. Diese Form der Sprachförderung nutzt alltägliche Situationen und Interaktionen, um die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu stärken.
Übungen und Therapien in der alltagsintegrierten Sprachförderung
Alltagsintegrierte Sprachförderung umfasst eine Vielzahl von Übungen und Aktivitäten. Dazu gehören:
- Dialoge und Gespräche: Erwachsene führen regelmäßige Gespräche mit den Kindern, stellen Fragen und ermutigen sie, ihre Gedanken auszudrücken.
- Vorlesen und Geschichten erzählen: Durch das Vorlesen von Büchern und Erzählen von Geschichten wird der Wortschatz erweitert und das Sprachverständnis gefördert.
- Sprachspiele: Spiele wie Reimspiele, Ratespiele und Lieder helfen, spielerisch sprachliche Strukturen zu erlernen.
- Routinen und Rituale: Alltägliche Routinen wie das gemeinsame Essen oder Anziehen bieten Gelegenheiten für sprachliche Interaktionen.
Vor- und Nachteile der alltagsintegrierten Sprachförderung
Vorteile
- Natürlicher Lernprozess: Kinder lernen in ihrem natürlichen Umfeld, was das Lernen authentischer und nachhaltiger macht.
- Regelmäßige Übung: Da die Sprachförderung kontinuierlich im Alltag stattfindet, erhalten Kinder regelmäßig Übung und Wiederholung.
- Einbindung der Eltern: Eltern können aktiv in die Sprachförderung eingebunden werden, was die Förderung auch außerhalb der Bildungseinrichtungen fortsetzt.
Nachteile
- Unterschiedliche Umsetzung: Die Qualität und Intensität der Sprachförderung kann stark variieren, je nachdem wie gut die Erwachsenen in der Umgebung des Kindes geschult sind.
- Zeitaufwand: Alltagsintegrierte Sprachförderung erfordert Zeit und Engagement von Erziehern und Eltern, was in stressigen Alltagssituationen eine Herausforderung darstellen kann.
- Fehlende Struktur: Ohne strukturierte Programme kann es schwierig sein, den Fortschritt der Kinder systematisch zu messen und zu dokumentieren.
Sprachförderung im Kindergarten
Die Sprachförderung im Kindergarten spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Kindern und ist eine der wichtigsten Aufgaben von pädagogischen Einrichtungen in diesen frühen Bildungsjahren. Im Folgenden werden drei wesentliche Aspekte der Sprachförderung im Kindergarten beleuchtet.
Gehört die Sprachförderung zu den alltäglichen Förderungsmaßnahmen in Kindergärten?
Ja, die Sprachförderung gehört zu den alltäglichen Förderungsmaßnahmen in Kindergärten. Sprachliche Entwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess, der in den täglichen Aktivitäten der Kinder eingebettet ist. Erzieherinnen und Erzieher nutzen jede Gelegenheit, um die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu fördern. Dies geschieht durch Gespräche, Erklärungen, Lieder, Geschichten und Spiele, die den Kindern helfen, ihren Wortschatz zu erweitern, grammatikalische Strukturen zu verstehen und ihre kommunikativen Fähigkeiten zu verbessern.
Im Alltag der Kindergärten wird Sprache gezielt und systematisch gefördert, wobei die Sprachentwicklung jedes einzelnen Kindes beobachtet und dokumentiert wird. Dies ermöglicht eine individuelle Unterstützung und Anpassung der Maßnahmen an die Bedürfnisse der Kinder.
Partizipation in der Kita und im Kindergarten
Ein Schlüssel für gelingende Bildungsprozesse
Wie erfolgt die Sprachförderung im Kindergarten?
Die Sprachförderung im Kindergarten erfolgt auf vielfältige Weise und umfasst sowohl geplante Aktivitäten als auch spontane Interaktionen. Hier sind einige der wichtigsten Methoden und Ansätze:
- Gezielte Sprachförderprogramme: Viele Kindergärten setzen spezifische Programme und Projekte ein, die darauf abzielen, die Sprachentwicklung zu unterstützen. Diese Programme sind oft strukturiert und folgen einem bestimmten pädagogischen Konzept.
- Interaktive Gespräche: Erzieherinnen und Erzieher führen regelmäßig Gespräche mit den Kindern, stellen offene Fragen und regen zum Nachdenken an. Dies fördert nicht nur das Sprachverständnis, sondern auch die Fähigkeit der Kinder, sich auszudrücken und ihre Gedanken zu formulieren.
- Vorlesen und Erzählen: Regelmäßiges Vorlesen und das Erzählen von Geschichten sind bewährte Methoden der Sprachförderung. Diese Aktivitäten helfen den Kindern, ihren Wortschatz zu erweitern und komplexere Satzstrukturen zu verstehen.
- Sprachspiele: Sprachspiele wie Reimspiele, Wortspiele und Sprachrätsel fördern spielerisch die Sprachentwicklung und machen das Lernen für die Kinder interessant und unterhaltsam.
- Alltagsintegrierte Sprachförderung: Wie bereits erwähnt, wird Sprache auch in alltäglichen Situationen gefördert, z. B. beim Anziehen, beim Essen oder beim Spielen. Dies macht die Sprachförderung zu einem natürlichen Bestandteil des Kindergartenalltags.
Welche Materialien, Spiele oder Bücher sind besonders geeignet dafür?
Es gibt eine Vielzahl von Materialien, Spielen und Büchern, die sich besonders gut für die Sprachförderung im Kindergarten eignen. Hier sind einige Beispiele:
- Bilderbücher: Bücher mit reichhaltigen Illustrationen und einfachen Texten sind ideal, um den Wortschatz der Kinder zu erweitern und das Verständnis von Geschichten zu fördern. Klassiker wie „Der Grüffelo“ oder „Die kleine Raupe Nimmersatt“ sind besonders beliebt.
- Sprachspiele: Spiele wie „Ich sehe was, was du nicht siehst“, Memory-Spiele mit Bildern und Wörter-Puzzles sind hervorragende Werkzeuge zur Förderung der Sprachentwicklung. Sie helfen den Kindern, neue Wörter zu lernen und ihre Merkfähigkeit zu verbessern.
- Lieder und Reime: Lieder und Reime sind sehr effektive Mittel zur Sprachförderung. Sie fördern das Rhythmusgefühl, die Aussprache und den Wortschatz. Bekannte Kinderlieder und Reimspiele sind hierbei besonders hilfreich.
- Handpuppen und Fingerpuppen: Diese Puppen können in Rollenspielen verwendet werden, um Dialoge zu üben und die sprachliche Kreativität der Kinder zu fördern.
- Bilderkarten zur Sprachförderung im Kindergarten: Diese Karten enthalten Bilder und Wörter, die den Kindern helfen, neue Begriffe zu lernen und ihre Ausdrucksfähigkeit zu verbessern. Sie können für verschiedene Spiele und Übungen verwendet werden.
Die Methode Kon-Lab
Das Sprachförderprogramm Kon-Lab gilt als das am häufigsten eingesetzte Programm in Kindertagesstätten. Kon-Lab steht für „Konstanzer Labor“ und wurde an der Universität Konstanz zur frühen Sprachförderung in Kindergärten und Schulen entwickelt. Im Mittelpunkt des Ansatzes steht die spielerische Vermittlung sprachrhythmischer Regeln. Da es mehrmals in der Woche als Ergänzung zum Gruppenalltag durchgeführt werden soll, zählt Kon-Lab zu den additiven Methoden. Es ist gleichermaßen für Kinder im Zweitspracherwerb und für Kinder mit Defiziten im Erstpracherwerb gedacht. Die Übungen sind dabei nicht auf den jeweiligen Sprachstand der Kinder abgestimmt. Stattdessen wird versucht, Kinder noch einmal durch die natürlichen Spracherwerbsphasen zu führen.
Sprachförderung mit Kon-Lab ist in drei sogenannten „Interventionsstufen“ aufgebaut:
- Sensibilisierung für sprachrhythmische Prinzipien als Grundlage für den Wortschatzerwerb
- Basaler Grammatikerwerb, insbesondere Artikelgebrauch und basale Regeln des Satzbaus zur Bildung eines grundsätzlichen Sprachverständnisses
- Verknüpfung der ersten beiden Stufen: Verständnis von Nebensätzen, Fragen und Zeitstrukturen
Durch den Einsatz geeigneter Materialien und Methoden können Erzieherinnen und Erzieher die Kinder auf ihrem Weg zu einer erfolgreichen sprachlichen Kompetenz begleiten, von der sie ein Leben lang profitieren.
Gezielt für die Sprachförderung von Kindern laden wir Sie ein, in unseren bewährten Bildergeschichten, Bildkarten und Sprachfördermaterial – wie beispielsweise den Sprachförderspielen zu stöbern. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Bildquellen
- Pexels @ Leeloo the first
- Pixabay @ PublicDomainPictures
- Pexels @ Jonathan Borba
- Unsplash @ Waldemar
- Pixabay @ Victoria
- Pixabay @ Ryan McGuire
- Unsplash @ Ryan Wallace
- Kon-Lab @ Kon-Lab Artikel zur Sprachentwicklung „Davids roter Traktor“
Quellen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Sprachförderung
- www.nifbe.de/schwerpunktthema-sprachbildung-und-sprachfoerderung
- https://bildungsportal-niedersachsen.de/fruehkindliche-bildung/bildungsauftrag/bildungsbereiche/sprachbildung-und-sprachfoerderung
- https://www.mkjfgfi.nrw/die-sprachentwicklung-von-kindern-moeglichst-frueh-foerdern
- https://www.herder.de/kiga-heute/fachbegriffe/sprachfoerderung/
Toll, dass früh ein Augenmerk auf den Spracherwerb von Kindern mit Migrationshintergrund gerichtet wird. Das Känguru Modell ist ein guter Ansatz. Meine Nichte geht seit diesem Monat in einen Kindergarten mit Sprachförderung in Englisch. Ich denke, dass solche frühen Ansätze den Kinder unglaublich viel bringen.
Vielen Dank für Ihren Kommentar!
Ihr SpielundLern-Team aus Berlin