Sprachförderung durch Experimente für Kinder

„DAS WASSER WUBBELT DA SO RUNTER!“

von Verena Bartelt*

Kindgerecht angeleitete Experimente und somit die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Vorgängen sind bestens zur Sprachförderung geeignet. In diesem Bildungsbereich steckt mehr als „Geheimtinte“ und schwimmende Gummibärchen. Ein Konzept zur Sprachförderung beinhaltet viele Komponenten. Es soll Kinder möglichst ganzheitlich ansprechen – und im besten Fall so, dass die Kinder es gar nicht als „Nachhilfe“ oder „Übungseinheit“ erkennen können.

SPRECHANLÄSSE SCHAFFEN

Sprachförderung gilt in der Kita- / Vorschularbeit nicht als eigene, abgesonderte Disziplin, sondern ist Teil aller Angebote für die Kinder. Die vielen Seiten einer gelungenen Unterstützung der sprachlichen Entwicklung werden während einer Experimentierphase besonders gut und gewissermaßen als „Nebenprodukt“ abgedeckt.

Um frei, ungezwungen und ohne Angst vor Fehlern sprechen zu können, braucht ein Kind einen Anlass, ein Gefühl, ein Erlebnis, etwas Neues, Anderes – und einen Gesprächspartner.

Menschen sprechen, weil sie sich mitteilen möchten. Man sollte also nicht im luftleeren Raum beginnen, reine Sprechübungen zu machen, sondern versuchen, einen Sprechanlass zu finden, der den momentanen Erfahrungen des Kindes entspringt. Ein interessanter Inhalt bringt bei  Kindern die Wörter zum Sprudeln.

Ganz einfach ergeben sich Gelegenheiten zum Sprechen bei der Beschäftigung mit Naturwissenschaften, weil sie überall in der Lebenswelt der Kinder zu finden sind. Kindgerechte Erklärungen (zu so unterschiedlichen Fragestellungen wie: Warum klebt meine Zunge an dem Eiszapfen fest? Wieso kann man alleine nicht wippen? Warum sieht Wasser manchmal blau aus? Wie kommt die Kohlensäure in das Wasser?) lassen sich in ganz vielen Fällen durch leicht durchführbare Experimente veranschaulichen. Das selbstständige Ausprobieren motiviert die Kinder erfahrungsgemäß sehr stark, weiter zu forschen.

„Auf dem Wasser ist ein Bogenberg!“

Kinder, deren Sprachentwicklung verzögert ist, ziehen sich oft zurück, sprechen weniger oder leiser als andere, sofern sie bereits ein Problembewusstsein ihres „Sprachfehlers“ entwickelt haben. Während des Experimentierens muss sich kein Teilnehmer zurückhalten. Als Anleiter kann man jeden Versuch so gestalten, dass auch der kleinste oder ungeschickteste Teilnehmer etwas „schafft“, ein Erfolgserlebnis hat. Die Kinder verstehen schnell, dass es hierbei kein „richtig“ und „falsch“ gibt, sondern nur „neu“ oder „anders“.

Es ist wichtig, hierbei zu bedenken, dass die Kinder nicht die wissenschaftliche Erklärung lernen sollen, die hinter einem Experiment steht. Es geht um die Freude am Ausprobieren, am „Forschen“. Die Kinder dürfen und sollen Hypothesen aufstellen, durch Versuch und Irrtum ihre eigenen Erklärungen finden und ihre großartigen Erfindungen bestaunen. Die Kinder müssen beim Experimentieren neue Wörter erfinden, wenn sie anderen mitteilen wollen, was sie gesehen, gehört, beobachtet haben (und das wollen sie, viele Kinder geraten ganz aus dem Häuschen, wenn sie „kleine Forscher“ sein dürfen). Was die Kinder beim Experimentieren sehen, können sie oft nicht bezeichnen. Ihnen fehlen die Wörter für das, was sie erfahren, zum Beispiel „sich auflösen“, „verdampfen“, „einen Strudel bilden“, „Oberflächenspannung“: für die Kinder „schmilzt“ ein Zuckerstück im Wasser, das Wasser „raucht“ oder „wubbelt so runter“, auf dem Wasserglas ist ein „Bogenberg“.

KATEGORIEN BILDEN UND VERSTEHEN

Die Kinder kommen also automatisch mit verschiedenen Aspekten der Sprache in Kontakt:

Sie lernen, Hypothesen zu formulieren, die später überprüft werden müssen.

Sie erweitern ihren Wortschatz, lernen neue Wörter und denken sich sogar Wörter aus. Sie lernen und versprachlichen Ursache-Wirkungsprinzipien (dabei geht es wirklich nur um das Prinzip, das inhaltlich nicht der naturwissenschaftlichen Realität entsprechen muss).

Sie lernen, einen Ablauf in Worte zu fassen, indem sie anderen Kindern erklären, wie der Versuch funktioniert. Das Versprachlichen des eigenen Handelns wird gefördert, somit das Abstraktionsvermögen und die Fähigkeit, Oberbegriffe zu bilden und diesen Unterbegriffe zuzuordnen (Äpfel und Birnen sind Obst) – eine wichtige Fähigkeit, die man braucht, um sich im großen Wirrwarr der Sprache zurechtzufinden. Ebenso müssen sie bei vielen Versuchen herausfinden, ob man mehr oder weniger braucht, Leichteres oder Schwereres, ob etwas weiter oben oder unten sein muss, damit das Experiment (ganz gleich, mit welchem Ausgang, den Erfolg oder Misserfolg eines Versuches bewerten die Kinder selbst)  gelingt. Sie lernen also, in Relationen zu denken.

Wer diese verschiedenen Ordnungsprinzipien versteht, kann Begriffe zuordnen, Sätze bilden, Geschichten erzählen und erfinden, sich komplizierte Zusammenhänge merken, sich bewusst zwischen verschiedenen Sprachebenen hin und her bewegen usw.

MIT KINDERN DOKUMENTIEREN

Die Dokumentation der Experimente bedeutet einen zusätzlichen Gewinn für die Sprachentwicklung. Dadurch machen die Kinder sich bewusst, dass sie etwas gelernt haben, und setzen ihre sprachlichen Erkenntnisse wieder in Symbole um. Eine gute Möglichkeit, die Erfahrungen aus einem Experiment mit den Kindern festzuhalten ist es, eine „Forschermappe“ anzulegen. Hier dokumentieren die Kinder durch Zeichnungen, was sie getan oder benutzt haben und was ihnen besonders merkwürdig erscheint.

Erfahrungsgemäß sind die Kinder sehr stolz auf ihre Forschermappen und sehen sich ihre Ergebnisse immer wieder gern an – je dicker die Mappe, desto besser. So können sie auch noch nach einigen Wochen wiederholen, wie das Experiment abgelaufen ist und können es, so die Möglichkeit zu Hause oder in der Einrichtung besteht, eigenständig wiederholen.

Aspekte der Sprachförderung sind hierbei im Besonderen das Verstehen von Symbolen und Umsetzen von Sprache in Symbole, die Schulung des Gedächtnisses und die Stärkung des Selbstbewusstseins: „Ich kann es allein tun.“

In den Forschermappen kann man außerdem die Äußerungen der Kinder festhalten. Führt man dies über einen längeren Zeitraum fort, kann man sichere Anhaltspunkte für den Stand der Sprachentwicklung des Kindes finden. So kann auch das Sprachlerntagebuch, das in allen Einrichtungen für Kinder zur Sprachstandserhebung verwendet wird, im naturwissenschaftlich-technischen Bereich eingesetzt werden und bildet für die Erzieherinnen nicht eine zusätzliche Belastung außerhalb des Kita-Alltags.

 

GEMEINSAM NATURWISSENSCHAFTEN ENTDECKEN

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Sprachförderung ist Teil des Experimentierens: das Sozialverhalten bzw. der kommunikative Aspekt, der Umgang mit anderen.

Dadurch, dass man beim Experimentieren nicht „gewinnen“ kann, entsteht keine Konkurrenzsituation. Das wirkt entlastend für Kinder, vor allem für diejenigen, die sprachliche Defizite haben. Sie müssen nicht besser sein als andere.

Beim Experimentieren braucht man oft mehr als zwei Hände. „Halt mal!“ ist daher ein Satz, den man beim Forschen mit Kindern oft hören wird. So kommen auch Kinder in Kontakt, die sonst vielleicht nicht unbedingt miteinander spielen würden, und müssen sich nun arrangieren und absprechen, wie die nächsten Schritte verlaufen sollen. Sie müssen ihre Ideen austauschen. So lernen sie, sich gegenseitig genaue Anweisungen zu geben: ob von etwas „mehr“ oder „weniger“ gebraucht wird, ob man den Draht kürzer abschneiden muss, größere Wassereimer gebraucht werden o. Ä. Die Kinder werden zum Forscherteam, treffen Absprachen und gemeinsame Entscheidungen.

Dabei entwickeln die kleinen Wissenschaftler so geniale Erfindungen wie die „Wasser-Einsaug-Maschine“ oder die „Federkanone“.

experimente mit alltagsmaterialienSprachförderung kann bedeuten, sehr teure und/oder aufwendige Materialien und Förderprogramme zu benutzen. Sprachförderung kann aber auch bedeuten, mit allen möglichen Haushaltsgegenständen, mit Sand, Papier und Wasser zu experimentieren.

Mit leicht zu beschaffenden Materialien wie Gläsern, Luftballons und Strohhalmen entdecken die Kinder grundlegende physikalische Phänomene. Ob mit Luft, Licht, Wärme oder Feuer – verblüffende Erkenntnisse und spielerische Sprachförderung. Diese Anleitung und weitere Materialien sowie zum Lernen an Stationen in der Schule finden Sie bei uns im SpielundLern Online-Shop.

* Die Autorin Verena Bartelt ist freie Lektorin (Lektorat Thielen) und gleichzeitig als Erzieherin tätig. Ihr besonderes Interesse gilt Kinderbüchern und der naturwissenschaftlichen Frühförderung von Kindern.

2 Kommentare zu “Sprachförderung durch Experimente für Kinder”

  1. Der Forscherdrang / das selbstständige Ausprobieren wird nach meinen Erfahrungen noch besser geweckt, wenn es eine Identifikationsfigur gibt. Das trifft bei eher schüchternen und sprachlich schwächeren Kindern umso mehr zu. Hier möchte ich als Einstieg in Experimente mit Luft und Wasser zwei Bücher der „Nela forscht“-Vorlesebücher empfehlen:
    „Papa, trinkst du heute eine Tasse Luft?“ und „Wie kommt das Wasser in die Wolke?“ Identifikationsfigur ist die kleine Nela. Mehr Informationen sind unter http://www.nela-forscht.de zu finden

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