Neue Ideen auf alten Grundmauern
Klassenräume seit 250 Jahren
Die Architektur der Klassenräume entspricht, wie bei allen öffentlichen Gebäuden, konkreten Maßangaben und Vorgaben. Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass diese Vorgaben Jahrzehnte, meist sogar Jahrhunderte alt sind.
Die Klassenzimmer in Österreich beispielsweise wurden bis vor 10 Jahren noch nach Maßen gebaut, die noch von Kaiserin Maria-Theresia, die Mitte des 18. Jahrhunderts lebte, festgelegt worden waren. Mit 1 Quadratmeter pro Schüler im Gegensatz zu den heutigen 2 Quadratmetern, kaum einheitliche Änderungen im Modus des Mobiliars, der Tafel und der Aufstellung der Sitzbänke. Da könnte man im Angesicht von über 250 Jahren Schulgeschichte, die seitdem vergangen sind, fast von Stagnation sprechen.
Impulse neuer Lernkonzepte
Im Verbund mit dem Zunehmen neuer pädagogischer Konzepte, ändern sich aber nun Stück für Stück auch die Lehrpläne. Diese neuen Konzepte erfordern andere räumliche Bedingungen. Die alten Schulgebäude und Klassenräume können Unterrichtsneuerungen der letzten Jahre, wie etwa Projektarbeit oder JüL, das jahrgangsübergreifendes Lernen, Digitalisierung sowie Lernen mittels VG und AG, nicht mehr entsprechen. Nicht nur das Klassenzimmer gestalten ist ein elementarer Punkt für die Lerneffizienz, der Wohlfühlfaktor und die Stimmung in der Klasse, sondern auch die Schularchitektur insgesamt rückt n den Fokus.
Welchen Raum braucht die Schule der Zukunft?
Klassenräume auflösen
Die in der Fachliteratur und in Verordnungen seit Jahrzehnten genannten Richtwerte für das Klassenzimmer betragen 2 Quadratmeter Grundfläche und 6 Quadratmeter Luftraum pro Schulkind. Dabei sind diese Planungsgrößen nur an sehr wenigen Stellen in den Schulgesetzen, Bauverordnungen oder Baurichtlinien zu finden. Bei dem mit Verordnungen und Richtlinien eher überfrachteten Schulwesen eine erstaunliche Sache, die darauf hinweist, dass dem Raum und der Klassenraumgestaltung bisher keine besondere Bedeutung beigemessen wird.
Auch gab es bisher bei den Raummeterangaben keine Unterscheidung bezüglich des Alters der Kinder, der in den Räumen der unterrichteten Fächer oder den Lehrkonzepten gemacht wurde. Was nach Flexibilität und offener Nutzung klingt, ist auf den zweiten Blick vermutlich eher Pragmatismus oder ein zu stiefmütterlicher Blick auf die Rolle der Raumgestaltung.
Neue Räume für neues Lernen
Räume der Zukunft müssen den neuen, weniger starren Lernkonzepten Rechnung tragen. Die Zukunft des Lernens gehört zunehmend dem freien Lernen und dem Projektunterricht. Fächergrenzen verschwimmen, Altersgrenzen verschwimmen. Klassenzimmer gestalten heißt in Zukunft gemeinsame Gestaltung und Gestaltung anhand von Klassenprojekten und aktuellen Themen. Neue Klassenräume erfordern die bauliche Aufhebung räumlicher Trennungen sowie mehr Flexibilität im Möbiliar und einen größeren Fokus auf Projekte.
Dabei lassen sich allgemeine Lern- und Unterrichtsbereiche von spezializierten Lern- und Unterrichtsbereichen unterscheiden.
Cluster – Gemeinschaft in der Schule der Zukunft
Cluster ist ein Begriff, der im Schulkontext dafür steht, dass sich mehrere Klassen Gemeinschaftsräume teilen. In der Cluster-Schule werden Unterrichts- und Aufenthaltsräume zu einer Einheit zusammengefasst, die Klassenräume als an einem langen verbindenden Flur gekoppelten „Lernkästen“ sind im Auflösen.
Bei den 42 660 Schulen in Deutschland und den 6000 Schulen in Österreich, die noch immer den alten räumlichen Strukturen entsprechen, wird es jedoch noch Jahrzehnte dauern, bis sich auch die Raumgestaltung in der Architektur widerspiegelt.
Bis dahin behelfen sich die Lehrer mit Glaswänden, der Projektarbeit auf Fluren oder solchen bereits bewährten Systemen wie dem jahrgangsübergreifenden Lernen.
Die Raumgestaltung ist in solchen Konzepten natürlich ebenfalls angepasst. In Gemeinschaftsräumen lässt es sich nicht zur Zufriedenheit aller dekorieren, viele Projekte an nur 4 Wänden könnten zur Unübersichtlichkeit führen.
Fraktale Schule
Ein verwandtes Konzept, das sich in Verbindung mit einer zukunftsfähigen Lernarchitektur etabliert hat, ist die fraktale Schule, bei der die bauliche Planung im Dienst des Lernkonzeptes steht. Dabei wird die rechteckige Raumform aufgelöst und durch konzentrische und wabenförmige Räume abgelöst. Fensterelemente ermöglichen die Verbindung oder die akustische und optische Trennung der Lernnischen voneinander.
Die Schule der Zukunft – neue Ideen sofort umsetzbar
Die Einrichtung des Klassenräume geht also in die Substanz. Es müssen andere Möbel, flexible Wände, stille Leseecken und große Gemeinschaftsräume geschaffen werden – wenn möglich in multifunktionaler, flexibler Form, sodass wandelbare und dazu wohnliche Räume entstehen.
Möbel aus Naturmaterial
Ein Großteil der schulischen Räume bestehen aus festem Möbiliar. Es ist von Vorteil, wenn dieses ansprechend aussieht, haptisch angenehm und bei Möglichkeit auch multifunktional ist.
Ein Gegenargument, nämlich dass Möbel aus Naturmaterialien den Beanspruchungen durch die Schüler nicht standhalten, ist bei näherer Betrachtung obsolet. Schulmöbel bestanden früher immer aus Holz, sowie alte wertvolle Möbel in Privathaushalten, die seit Generationen weitervererbt werden, ebenfalls. Holzmöbel kann man bei entstandenen Schäden aufarbeiten und wieder instand setzen. Ersatzteile können leichter eingebaut oder nachgebaut werden. Grundsätzlich sind auch geschundene Schulmöbel aus Holz noch immer ansehnlicher als Kunststoffplatten, die eingeritzt oder bemalt sind.
Flexible Raumteiler
Auch klassische Klassenzimmer gestalten sich plötzlich und im Handumdrehen um, wenn Paravents oder Stellwände zur Anwendung kommen. Viel zu selten teilen Lehrer ihre Klasse optisch voneinander, obwohl solche Raumtrenner nicht sehr kostenintensiv sind.
Eine Raumtrennung geht im normalen Schulalltag auch durch die Zuhilfenahme der Schultische und Schulstühle, aber auch indem man die Kinder zeitweise auf dem Boden sitzend arbeiten lässt. Hierbei bieten sich kleine Teppiche als Raumteiler an, denn sie geben die Arbeitsfläche genau vor und trennen die Arbeitsgruppen somit optisch voneinander.
Platzgewinn durch andere Schultischgeometrie
Tisch- und Stuhlmobiliar sind die mobilsten Bestandteile eines Schulraumes und immer vorhanden. Es ist wichtig, ihre Aufstellung bewusst zu wählen, um lernförderliche Raumbedingungen zu schaffen.
Rechteckige Schüler-Doppeltische in heutigen Schulen nehmen in einem Klassenraum mit 25 Schülern in etwa eine Grundfläche von 8 qm ein. In klassischer Reihenanordnung und inklusive den Stühlen belegen allein Sitzmöbel über 20 qm der Grundfläche.
Werden hingegen dreieckige oder trapezförmige Tische verwendet, können Sitzgruppen für 4 oder 6 SchülerInnen zusammengestellt werden, sodass rund 3 qm gepart werden.
Rollen an Tischen und Stühlen, an Regalen und Schränken ermöglichen eine dynamisch-flexible Positionierung des Mobiliars im Raum.
Verbindung mit der Natur
Unterricht draußen ist nach wie vor eine Seltenheit. Dabei hat fast jedes Schulgebäude einen Schulhof, vielfach gibt es Spielplätze oder Parks, in urbanen Gegenden sogar Wälder und Wiesen in der Nähe. Unterricht darf sich loslösen vom Schulgebäude, darf ausweichen auf Balkonen oder Terassen.
Ungeachtet dieser Möglichkeiten können Lehrer jedoch durch Aufstellung von Zimmerpflanzen die Natur zu den Kindern holen. Es ist sicherlich von Vorteil, wenn nicht allein die für Schulräume allbekannten Fikusse dafür herhalten müssen, sondern auch andere blühende oder auch pflegeintesivere Pfanzen beim Einrichten des Schulzimmers Einzug halten. Pflanzpatenschaften verteilen die Verantwortung für deren Pflege und ermächtigen die Kinder in die Selbstverantwortung zu gehen.
Und manchmal ist ein voller Früchtekorb im Klassenzimmer, der zur freien Verfügung steht, eine auch schmackhafte Verbindung zur Natur.
Tafelfarbe oder Magnetfarbe
Diese besondere Art von beschreibbaren oder magnetischen Farben machen Wandflächen im Handumdrehen zu Tafeln oder Präsentationsflächen. Sie bieten den Schülern besondere Gestaltung an und motivieren bei Projektarbeiten zur Teilnahme.
Teilhabe bei der Klassenraumgestaltung
Zu Festen und bei Projekten sind Gemeinschaftsräume die beste Gelegenheit, Schulklassen gemeinsam zur Dekoration anzuhalten. Solange neuartige Cluster-Schulen und Gemeinschaftsräume noch nicht an der Tagesordnung sind, dürfen Flure oder Eingangsbereiche, der Schulhof oder die Schulmensa mit Girlanden, Bildern oder Präsentationen an Wand oder Decke gestaltet werden – und zwar von allen Beteiligten.
Bildquellen
- PexelsFrancesco-Ungaro
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- Pixabay @ Juan José Berhó
Quellen
- https://www.arbeitssicherheit.de/schriften/dokument/0%3A8144291%2C4.html
- https://www.dbz.de/download/662717/VOE_Leitlinien_LLS.pdf
- https://www.goethe.de/resources/files/pdf165/gi-dhk-ratgeber-1-de.pdf
- https://www.derstandard.de/story/2000104858511/sieben-ideen-fuer-die-schule-der-zukunft
- https://www.sueddeutsche.de/bildung/innenarchitektur-von-schulen-das-klassenzimmer-als-merkwuerdige-konstante-1.1623569
- https://www.ganztaegig-lernen.de/fraktale-schule
- https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-91868-6_20
- https://orf.at/stories/3284359/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
- https://www.spielundlern.de/wissen/ar-und-vr-als-lernmethode-der-zukunft
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