Spielplatzbesuche sind für Eltern in der Stadt an der Tagesordnung und gehören zum alltäglichen Lebensumfeld.
Im Verbund mit der zunehmenden Wohnknappheit im urbanen Raum, die vielköpfige Familien häufig in kleinen Wohnungen zwängt, meist ohne das Privileg eines Gartens, nutzen viele den Spielplatz als Erweiterung des familiären Lebensraumes. Nach Arbeit, Kita oder Schule geht es mit Brotdose und Knabbereien, Buddelhose und Schippe erst einmal raus auf den nächstgelegenen Spielplatz.
Wählerisch zu sein, kann sich manch Stadtbewohner nicht leisten.
Ein sicherer Spielplatz ist selten attraktiv
Obgleich in Deutschland die Spielplatzdichte und Spielplatzsicherheit bundesweit durch eine vielparagraphige Verordnung gesichert ist, gibt es zur Qualität und Attraktivität eines solchen sozialen Raumes keine Richtlinien. Meist sind Spielplätze daher triste Angelegenheiten mit Rutsche, Schaukel, Wippe. Mit etwas Glück gibt es auch sauberen Sand für die Formkuchen der Kleinsten.
Das Spielplatzkonzept der kindernahen Spielplätze
Es gibt aber auch die ultimativen Spielplätze, die mit den klassischen Platzhaltern nicht viel gemein haben. Zum Glück dazu ein ebenfalls seltenes Phänomen: Es gibt hier und da auch Berichterstattung in namhaften Magazinen, wie neulich in der 36. Ausgabe des „Spiegel“. Hier berichtet Frank Thadeusz über neue Spielplatzkonzepte weltweit.
Beleuchtet man den Artikel aus pädagogischer und erzieherischer Sicht, so trifft man auf ein interessantes anarchisches Spielplatzkonzept, exemplarisch vertreten durch Günter Beltzig, seit Jahrzehnten Entwickler von kindernahen Spielplätzen: Ran an die Landschaft, ran an Naturmaterialien, weg mit den Spielgeräten – und weg auch mit den Eltern.
Das neue Konzept, das hier und da neuartige Spielplätze entstehen lässt, befähigt die Kinder zu wilden Kletter-Phantasien und zwingt die Eltern wieder auf den Boden (der Tatsachen) zurück. Zu schwindelerregend sind meist die luftigen Höhen, zu eng für Erwachsene manch Winkel eines hohen Turmes.
Hier ist der Spielplatz keine räumliche Verlängerung des familiären Lebens mehr, sondern ausnahmslos ein Ort der Kindheit und Jugend.
Mehr Klettergerüst, Abenteuerraum, Geheimdschungel denn Spielplatz.
Das City-Museum in St. Louis als Gegenentwurf
Man kann sich kaum vorstellen, dass ein Spielplatz wie das City-Museum aus St. Louis in Deutschland zulassungsfähig wäre. Eine phantastische Collage aus unzähligen Materialien, eine asymmetrische Kletterwelt, wie aus einer Laune heraus konzeptlos entstanden, aber tatsächlich mühevoll entworfen und ständig erweitert durch ein Künstlerkollektiv.
Der Name ist Programm: Das City-Museum ist eben mehr als Spielplatz. Es ermöglicht Klettern und Rutschen und Erleben über 10 Etagen, weit oben führen freilaufende Drahtrohre durch das Innere zweier echter ausrangierter Flugzeuge. Eine Spielwelt aus recyceltem Material, zuweilen weit entfernt von klassischer Spielplatz-Ästhetik – aber nah dran an das Konzept des Menschen als Homo ludens – als Menschen, der die Welt aus einem natürlichen Drang am umfänglichsten spielend erfasst.
Der Spielplatz als kreativer Ort
Es darf als Gewinn betrachtet werden, dass solche großflächigen Spielräume als kreative Orte entstehen – obwohl sie noch immer die absolute Ausnahme sind: Wenngleich Ihre Vorgänger bereits in den 60ern und 70ern aus Recyclingmaterialien modulare und veränderbare Spiellandschaften entstehen ließen. Der Sinn und Zwecke von Kinderspielplätzen in der taz vom 18.06.2016.
Sie sind immer noch als wichtige Vertreter zu verstehen, als Multiplikatoren einer Idee der frei, das heißt unbeaufsichtigt spielenden Kinder in der Dynamik ihrer eigenen Welt – in der Großstadt dieser Tage ein undenkbares Unterfangen. Beltzig schmettert diesem Bild den Begriff von urbaner „Käfighaltung“ entgegen. Günter Beltzig – Der Spielplatzgestalter, Deutschlandfunk Kultur vom 12.07.2018.
Spiellandschaften zur Selbsterfahrung – ohne Eltern
Diese kreativen Spiellandschaften bedeuten auch in weiterer Hinsicht ein Zugewinn für Jung und Alt: Dass die Großen, die Eltern, die Aufsichtspersonen durch den engen, verwinkelten Aufbau unten bleiben müssen, entlässt die jungen Menschen in die Freiheit der Selbsterfahrung. Die Kinder und Jugendlichen dürfen ihre Kraft spüren, das Nervenflattern in schwindelerregender Höhe, lernen Gefahren zu sehen und ihre Fähigkeiten richtig einzuschätzen – abseits der ängstlichen elterlichen Warnrufe.
Man kann sie aus gesellschaftlicher Perspektive auch als Gegenpol zu großen Vergnügungsparks verstehen, die in einem ähnlich gearteten, jedoch bunt-grellen Spieldschungel den gleichen menschlichen Bedarf bedienen, sich aber in Gegenüberstellung in etwa so verhalten wie Bücherlesen zum Fernsehschauen.
Naturspielplätze und Kletterwälder
Alle Adepten dieser Art des elternfreien Spiels finden auch hierzulande ähnliche Ansätze, wenngleich nicht so fulminant. Es gibt fast in jeder Gegend Kletterwälder, wo zwischen natürlich gewachsenen Bäumen Seile und Leitern gespannt sind. In vielen Regionen findet man Naturspielplätze voller Bäume, Wasser, Sand und Matsch.
Ein toller „Elternfrei-Spielplatz“ kann auch ein konventioneller Spielplatz sein: Woran erkennt man das besondere Konzept? Man achte auf Türme und Aufgänge, die nur für Kinder zugänglich sind und wo die Eltern mit ausgestreckten Armen nicht mehr hinreichen können. Nach Günter Beltzig könnte man hinzufügen: Dort, wo mehr Natur als Spielgeräte sind, wo Büsche Versteck bieten und Wasser fließen kann. Wir haben eine Käfighaltung für Kinder, Der Spiegel vom 19.07.2019
Für jeden, der solche Alternativen vermisst: Geht mit euren Kindern wandern. Die Natur ist ohnehin der ursprüngliche Platz, wo der Homo ludens zu einem Meister seines „Faches“ wird.
Beitrag von Alice Linz, Redaktion SpielundLern.de
Kinderspielplätze sind oft nur so kreativ wie ihre spielenden Kinder. Spielplätze müssen meiner Meinung nach sicher, vielfältig, für jung und alt sein sowie möglichst viele Varianten des Spiels und der Bewegung abdecken.