Kompromisse eingehen fällt manchen Erwachsenen noch immer schwer. Je nachdem, worum es sich handelt, erwecken Kompromisse zuweilen den Eindruck eines verlorenen Kampfes – und dies häufig bei beiden Parteien. Nicht umsonst haben Kompromisse einen schlechten Ruf: Oftmals ist keiner der Parteien mit der Lösung so richtig zufrieden. Ursächlich dafür ist, dass Kompromissbereitschaft voraussetzt, eigene Wünsche und Vorstellungen zurückzustecken und Akzeptanz für andere Meinungen vorhanden sein muss.
Für Kinder scheinen Kompromisse „nichts Ganzes und nichts Halbes“. Es bedarf einer gewissen emotionalen Reife, damit Kinder Kompromisse eingehen können. Wie können Erzieher und Eltern den Kindern helfen, Lösungen zu finden und Streit zu befrieden?
Was sind Kompromisse?
Kompromisse sind Lösungen, bei der zwei oder mehr Personen bereit sind, von ihren ursprünglichen Positionen abzuweichen, um eine Übereinkunft zu erreichen, die für alle Beteiligten akzeptabel ist. Jeder gibt ein Stück seines eigenen Wunsches oder seiner Vorstellung auf, um eine gemeinsame Lösung zu finden, die nicht perfekt, aber für alle tragbar ist. Kompromisse erfordern Flexibilität, die Fähigkeit zur Perspektivübernahme und oft auch das Zurückstellen eigener Bedürfnisse, um das Wohl der Gemeinschaft zu fördern und Konflikte zu lösen.
Das Erlernen von Kompromissen ist ein wichtiger Schritt in der sozialen und emotionalen Entwicklung von Kindern. Für Kinder ist das eine herausfordernde, aber notwendige Fähigkeit, um ein harmonisches Miteinander zu fördern.
Warum Kompromisse schließen?
Andreas Weber, Philosoph und Biologe, schrieb 2020 das Buch „Warum Kompromisse schließen?“ mit dem Ziel, den negativ behafteten Begriff des Kompromisses als kluge Lebensweise zu rehabilitieren. Er stellt fest, dass der Kompromiss oft als Schwäche oder Niederlage betrachtet wird, insbesondere in westlichen Gesellschaften, die auf individuelle Interessen und Optimierung fixiert sind. Weber plädiert dafür, den Kompromiss als essenziell für die Beziehungsfähigkeit zu begreifen, da er es ermöglicht, in der Mitte aufeinander zuzugehen und gemeinsame Lösungen zu finden.
Weber argumentiert, dass die Ablehnung des Kompromisses auf eine Ideologie der absoluten Gewinner zurückzuführen ist, die Gemeinschaftssinn untergräbt und Konflikte verschärft. In der heutigen digitalen Welt sieht Weber eine neue Bedrohung für die Kompromissfähigkeit, da soziale Medien oft eine aggressive und vereinfachte Kommunikation fördern, die keine echten Beziehungen erfordert.
Im Austausch mit der Philosophie von Hannah Arendt betont Weber, dass Beziehungen ein dynamischer Umgang mit Konflikten und Gegensätzen sind.
Weber beschreibt den Kompromiss als Lebenskunst, bei der man bereit sein muss, eigene Bedürfnisse ehrlich zu kommunizieren und gleichzeitig die des Gegenübers zu verstehen. In dieser Fähigkeit, miteinander zu verhandeln und Abstriche zu machen, sieht Weber eine Form von „wildem Frieden“, der eine Balance zwischen den Bedürfnissen aller Beteiligten ermöglicht. Rebellion und Kompromiss schließen sich dabei nicht aus.
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Kompromisse eingehen – was bedeutet das?
Ein Kompromiss bedeutet, dass man eine Lösung findet, die für beide Seiten akzeptabel ist, auch wenn sie nicht die Wunscherfüllung für jeden bedeutet. Besonders im Kita-Alltag sowie in Kindergruppen im Alltag, in dem Kinder regelmäßig auf unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse treffen, ist das Aushandeln von Kompromissen entscheidend für die Förderung von sozialen Kompetenzen.
Emotionale Voraussetzungen bei Kindern
Um Kompromisse eingehen zu können, müssen Kinder einige emotionale und kognitive Fähigkeiten entwickeln. Dazu gehören:
Frustrationstoleranz
Kinder müssen lernen, dass sie nicht immer ihren Willen durchsetzen können. Dies erfordert eine gewisse emotionale Reife und die Fähigkeit, mit Enttäuschungen umzugehen.
Empathie
Die Fähigkeit, sich in die Lage eines anderen hineinzuversetzen, ist entscheidend, um die Bedürfnisse und Wünsche der anderen zu verstehen und zu berücksichtigen.
Impulskontrolle
Kinder müssen lernen, ihre unmittelbaren Bedürfnisse und Impulse zu kontrollieren, um eine Lösung zu finden, die für alle akzeptabel ist.
Kommunikationsfähigkeiten
Kinder müssen in der Lage sein, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche verbal zu äußern und die des Gegenübers zu hören und zu verstehen.
Wie Erwachsene das Kompromisse eingehen unterstützen können
Erwachsene – sei es Eltern oder Erzieher – spielen eine entscheidende Rolle dabei, Kindern das Schließen von Kompromissen beizubringen. Hier einige evidenzbasierte, pädagogische Methoden, die dabei helfen:
Modelllernen
Kinder lernen durch das Beobachten und Nachahmen von Erwachsenen. Wenn Eltern und Erzieher selbst offen über ihre Bedürfnisse sprechen und nach Lösungen suchen, können Kinder diesen Prozess als Vorbild übernehmen.
Emotionsregulation fördern
Durch gezielte Übungen zur Emotionsregulation, wie etwa Atemtechniken oder das Benennen von Gefühlen, können Kinder lernen, mit Frustration und Enttäuschung besser umzugehen, was wiederum das Schließen von Kompromissen erleichtert.
Perspektivübernahme fördern
Rollenspiele und Geschichten sind effektive Methoden, um die Empathiefähigkeit von Kindern zu stärken. Durch das Einnehmen unterschiedlicher Rollen lernen Kinder, sich in andere hineinzuversetzen und deren Bedürfnisse zu erkennen.
Verhandlungstraining beim Kompromisse eingehen
Durch spielerische Übungen, bei denen Kinder in einem sicheren Rahmen lernen, zu verhandeln und Kompromisse zu finden, werden ihre Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeiten gezielt gestärkt. Hierbei können Erzieher als Moderatoren fungieren und den Kindern Hilfestellung geben.
Lob und Verstärkung
Es ist wichtig, positive Kompromisslösungen zu loben und zu verstärken. Dadurch lernen Kinder, dass das Finden von Lösungen belohnt wird und als positive Fähigkeit angesehen wird.
Wenn Kinder lügen
Wie Erzieher und Eltern damit umgehen sollten, um das Kind zu stärken
Sechs Konflikte mit Lösungen
Konflikt: Spielzeug teilen
Zwei Kinder streiten sich um ein beliebtes Spielzeug. Beide möchten es gleichzeitig haben.
Lösungsvorschlag: Ein Timer kann eingeführt werden, der die Spielzeit für jedes Kind begrenzt. Die Erzieherin unterstützt dabei, dass die Kinder abwechselnd spielen und ihre Zeit aufteilen. Durch diese klare Regelung lernen die Kinder, dass sie nach einer bestimmten Zeit auch wieder an der Reihe sind, was die Frustration reduziert.
Konflikt: Bestimmen, welches Spiel gespielt wird
Eine Gruppe von Kindern kann sich nicht darauf einigen, welches Spiel sie zusammen spielen wollen.
Lösungsvorschlag: Die Erzieherin moderiert eine kurze Diskussion, bei der jedes Kind die Möglichkeit bekommt, seine Spielidee vorzustellen. Anschließend können sie abstimmen oder sich einigen, erst das eine und dann das andere Spiel zu spielen. Dies fördert die Entscheidungsfindung in der Gruppe und zeigt, dass Kompromisse zu einer Win-Win-Situation führen können.
Konflikt: Sitzplatz beim Essen
Zwei Kinder möchten denselben Platz am Esstisch einnehmen.
Lösungsvorschlag: Die Erzieherin erklärt, dass es an jedem Tag einen „Tagesplatz“ geben kann, und erstellt einen Rotationsplan, der sicherstellt, dass jedes Kind einmal auf diesem Platz sitzen darf. Kinder lernen so, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden, aber auch, dass sie Geduld üben müssen, um an die Reihe zu kommen.
Konflikt: Musik oder Ruhe
Ein Kind möchte im Gruppenraum Musik hören, während ein anderes Kind in Ruhe ein Buch lesen will.
Lösungsvorschlag: Die Erzieherin kann den Kindern vorschlagen, zunächst eine stille Lesezeit einzurichten und danach gemeinsam Musik zu hören. Alternativ könnten sie den Raum so aufteilen, dass es eine „ruhige Ecke“ für das Kind gibt, das lesen möchte, während die anderen Kinder in einem anderen Bereich Musik hören. Diese Lösung fördert das Verständnis für die Bedürfnisse anderer und zeigt, dass Rücksichtnahme ein Teil des Kompromissprozesses ist.
Konflikt: Nutzung von Bastelmaterial
Zwei Kinder möchten gleichzeitig dasselbe Bastelmaterial verwenden, zum Beispiel eine bestimmte Schere oder spezielle Farben.
Lösungsvorschlag: Die Erzieherin könnte vorschlagen, dass die Kinder ihre Bastelprojekte nacheinander beenden, indem sie eine klare Zeitspanne für die Nutzung des Materials festlegt. Alternativ können sie das Material teilen, indem sie z.B. gemeinsam an einem Projekt arbeiten und die Werkzeuge abwechselnd nutzen. Dies hilft den Kindern zu verstehen, dass Kooperation eine Form des Kompromisses ist und dass gemeinsames Arbeiten zu einer Lösung führen kann.
Konflikt: Wer darf zuerst auf die Rutsche?
Zwei Kinder streiten sich darum, wer als Erster auf die Rutsche darf.
Lösungsvorschlag: Die Erzieherin kann den Kindern beibringen, durch das Losen (z.B. mit einer Münze oder einem Reimspiel) eine faire Entscheidung zu treffen. Ein anderes Vorgehen wäre, eine abwechselnde Reihenfolge festzulegen, bei der das eine Kind heute zuerst rutscht und das andere am nächsten Tag. Dies lehrt die Kinder, dass es faire Methoden gibt, um Entscheidungen zu treffen und dass man manchmal warten muss, um an die Reihe zu kommen.
In all diesen Beispielen lernen die Kinder, dass es unterschiedliche Wege gibt, Konflikte zu lösen, bei denen nicht immer der eigene Wille im Vordergrund steht, sondern bei denen es um das Finden einer Lösung geht, die für alle Beteiligten akzeptabel ist. Gleichzeitig erfahren sie, dass sie trotz des Zurücksteckens ihrer eigenen Wünsche dennoch langfristig berücksichtigt werden.
Bildquellen
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Quellen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kompromiss
- https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/320659/kompromiss/
- https://karrierebibel.de/kompromiss/
- https://www.humanresourcesmanager.de/content/warum-hat-der-kompromiss-einen-schlechten-ruf/
- https://deinefamilienbande.net/2021/09/27/3-tipps-um-die-kompromissbereitschaft-deines-kindes-zu-erhoehen/
- https://www.familienleben.ch/leben/konflikte/kompromisse-finden-so-einigen-sie-sich-mit-ihrem-kind-4291
- https://www.kindererziehung.com/news-leser/kompromisse-sind-fuer-kinder-oft-verwirrend01836.php
- https://www.prokita-portal.de/bildungsbereiche-entwicklungsziele-kita/soziale-emotionale-kompetenz-kinder/
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