Kinderhospize – so wertvoll, so unbekannt
Während man niemanden mehr erklären muss, was ein Erwachsenenhospiz ist, sind selbst Kinder- und Jugendärzte oftmals der Überzeugung, dass es auch in ein Kinder-und Jugendhospiz nur zum Sterben ginge. Dies ist nicht der Fall – aber die Unwissenheit verwehrt vielen betroffenen Familien die Option dieser wertvollen Hilfestellung im Krankheitsfall.
Von den bundesweit 50.000 an lebensbedrohenden und lebensverkürzenden Krankheiten leidenden Kindern werden nach seriösen Schätzungen 45.000 von der ambulanten und stationären Hospizarbeit überhaupt nicht erreicht. Die Einrichtungen und ihre breitgefächerte Hilfe sind vielen unbekannt. In vielen Kinder-und Jugendhospizen bleiben folglich Plätze ungenutzt. So sind in Wuppertal von den zehn Plätzen meistens nur sechs bis acht belegt, in Bielefeld-Bethel ist das Verhältnis ähnlich.
Für die letzte Lebensphase
Ein Kinderhospiz umfasst ambulante und stationäre Einrichtungen für schwerstkranke Kinder und Jugendliche, die an lebensbedrohenden oder lebensverkürzenden Krankheiten leiden. Eine Gemeinsamkeit haben Kinder- und Jugendhospize und Erwachsenenhospize: Sie begleiten und unterstützen auf Wunsch durch die letzte Phase des Lebens.
Für langjährige Betreuung
Im Unterschied jedoch zu den Hospiz- und Palliativangeboten für schwerstkranke und sterbende Erwachsene, sind Kinderhospize auch für eine langfristige Betreuung und Begleitung angelegt.
Wenn junge Menschen schwerwiegende Diagnosen bekommen mit der Prognose, das Erwachsenealter nicht zu erreichen, leben sie unter Umständen Jahre-, manches Mal auch Jahrzehnte trotz ihrer schweren Erkrankung weiter. Die Kinder- und Jugendhospize unterstützen die Familien bei Wunsch bereits ab Diagnosestellung und nicht nur in der letzten Lebensphase.
Sie fungieren als Hilfe und Unterstützung der Familien in diesem oft langen Prozess der Auseinandersetzung mit schwierigen Krankheitsverläufen. Dabei betreuen sie nicht nur bei der palliativmedizinischen Versorgung oder bei konkreten pflegerischen Aufgaben, sondern auch bezüglich des Gesprächs- und Beratungsbedarfs in Verbindung mit Verlustängsten und dem Umgang mit Abschied und Trauer. Eltern, Geschwister und andere enge Familienangehörige werden fest in die Betreuungsangebote eingebunden, sodass sie eine gesamtfamiliäre Hilfestellung gewährleisten.
Anzahl der Kinderhospize in Deutschland?
In Deutschland gibt es 18 stationäre Hospize für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Von den 330 Palliativstationen in Krankenhäusern sind drei davon für Kinder und Jugendliche.
Die erst junge Geschichte
Die Geschichte der Kinderhospize ist erstaunlich jung. Das weltweit erstes Kinderhospiz entstand 1982 in Oxford auf Initiative einer Klosternonne. Erst 1998 wurde in der Trägerschaft der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe das erste Kinderhospiz in Deutschland gegründet. Seitdem entstanden hierzulande über 100 Kinderhospizdienste, dazu Trägervereine und seit 2002 ein Bundesverband als Dachverband der stationären und ambulanten Kinderhospizdienste.
Damit können sich Großbritannien und Deutschland auf die Fahnen schreiben, Vorreiter der Kinderhospizarbeit zu sein. Denn europaweit und weltweit bietet sich zumeist ein desolates Bild an. In Österreich beispielsweise wurde 1999 das bis heute erste und einzige Kinderhospiz in Sterntalenhof gegründet. Die Schweiz kann bisher kein einziges Kinderhospiz vorweisen.
Rahmenbedingungen für die Hospizpflege
Aufnahmebedingungen
Kinderhospize nehmen erkrankte Kinder und Jugentliche bis zum vollendeten 27. Lebensjahr auf. Aufgrund der meist langjährigen Krankheitsgeschichte, erfolgt die Aufnahme häufig zeitlich begrenzt und wiederkehrend.
Betreut werden Kinder und Jugendliche unabhängig von Geschlecht, sozialer oder ethnischer Herkunft sowie religiöser, sexueller oder weltanschaulicher Orientierung der Familie.
Mittels einer ärztlichen Bescheinigung gibt es für Betroffene einen Anspruch auf die Aufnahme im Hospiz. Benötigt hierfür wird eine Verordnung der stationären Hospizpflege nach §39a SGB V und einer Bescheinigung der Lebenslimitierung. Mithilfe dieser Unterlagen können die Aufenthalte direkt bei den zuständigen Kostenträgern abgerechnet werden. Gesichert finanziert werden 28 Tage pro Jahr in einem Hospiz in Deutschland.
Zusätzliche Leistungen
Im Falle eines dringenden Bedarfsfalls, wenn beispielsweise eine nicht vorhersehbare Verschlechterung der Krankheit auftritt, gibt es jederzeit die Möglichkeit einer weiteren Finanzierung über diesen 28-Tage-Zeitraum hinaus. Voraussetzung hierfür ist, dass der medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) und die zuständige Krankenkasse dies bewilligen.
Finanzierung
Vorweg: Der Aufenthalt, die Pflege und alle Betreuungsangebote in einem Kinder- und Jugendhospiz sind für die Betroffenen und ihrer Familien kostenlos.
Die Kosten für den Aufenthalt der erkrankten Kinder und Jugentliche übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 95 Prozent der zuschussfähigen Kosten eines stationären Hospizes unter Berücksichtigung des Finanzierungsanteils der Pflegeversicherung. Den restlichen Anteil tragen die Hospize, finanziert wird dies insbesondere durch Spenden und Ehrenamt. Ebenfalls durch Spenden werden die Mitaufenthalte der Eltern und Geschwister der betroffenen Kinder finanziert.
Damit soll vor allem dem Grundsatz Rechnung getragen werden, dass die Betreuung in einem Hospiz nicht von der finanziellen Situation der Familie abhängen darf.
Insgesamt beträgt der jährliche Spendenbedarf eines Kinder- und Jugendhospizes zwischen 50 bis 60 Prozent des Gesamtetats.
Wichtige Infos rund um die Kinderhospize
Anliegen und Ziele
Die Kinder- und Jugendhospize möchten der Kernfamilie erkrankter Kinder und Jugendliche und den Betroffenen selbst ein Zuhause auf Zeit in familiärer, vertrauensvoller Umgebung bieten. Die Familienmitglieder sollen in dieser Zeit Erholung und Entlastung vom zum Teil sehr schwierigen und kräftezehrenden Lebensalltag erfahren.
Eine gesonderte Betreuung bieten manche Hospize innerhalb der sogenannten Verhinderungspflege an. Nach § 39 SGB XI können die erkrankten Kinder und Jugendlichen ohne Begleitung der Familie über
einen maximalen Zeitraum von 42 Tagen pro Jahr im Hospiz betreut werden.
Des Weiteren bieten Kinderhospize zum Teil auch für Eltern von Todgeborenen oder frühgeborenen Kindern die Abschiednahme von den Sternenkindern an.
Die ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienste haben im Vergleich zu stationären Hospizen die Aufgabe, Familien wohnortnah eine Begleitung und Unterstützung im Alltag zu ermöglichen.
Angebote im Hospiz
Die Angebote im Kinder- und Jugendhospiz sind vielfältig. Teils gestalten sich diese sehr individuell, da sie häufig auf die Krankheitsdynamik der Betroffenen eingehen und die verbliebenen körperlichen Möglichkeiten sowie den Aktionsradius beachten müssen.
Im Allgemeinen gehören sowohl aktive Unternehmungen wie kleine Ausflüge in die nähere Umgebung oder Sport zum Angebotsportfolio. Auch ruhigere, kreative Angebote wie Basteln oder Malen sind teil der regelmäßigen Betätigungsmöglichkeiten. Komplettiert werden diese durch Erholungsangebote und Angebote zum Stressabbau wie Meditation, Massagen und Gesprächsangebote durch psychologisch geschultes Personal.
Wer arbeitet im Hospiz?
Die erkrankten Kinder und Jugendliche werden während des Aufenthaltes von Pflegefachkräften versorgt, zudem findet man immer ein interdisziplinäres Team aus Ärzten und Therapeuten zur medizinisch-therapeutischen Betreuung vor.
Des Weiteren gibt es viele Mitarbeitende, die speziell für die Trauerbegleitung ausgebildet sind. Dazu gehört auch psychologisch geschultes Personal, das für Gespräche und Begleitung der Angehörigen zur Verfügung steht.
Engagement im Kinderhospiz
Abgesehen von der ehrenamtlichen Arbeit, die natürlich einige Vorgabe und Voraussetzungen nötig macht, gibt es eine weitere Möglichkeit, die wichtige Arbeit der Kinderhospize zu unterstützen: Spenden. Da sich Kinderhospize bis zu 60 % durch Spenden finanzieren, was einem Bedarf von rund zwei Millionen Euro bedeutet, sind Spenden eine unerlässliche Grundlage aller Einrichtungen und Beschäftigten dort.
Laut einem Interview der Witschafswoche gingen die Spenden für die Kinderhospizarbeit, bedingt durch die Inflation, die allgemeine schlechte Konjunktur und die Zukuftssorgen der Bevölkerung, im Jahr 2022 um 50 % zurück.
Bildquellen
- Pixabay @ Myléne
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- Pexels @ Meruyert Gonullu, Pexels @ Ron Lach, Pexels @ Meruyert Gonullu
Quellen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kinderhospiz
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/h/hospiz.html
- https://www.kinderhospiz-burgholz.de/aktuelles-884.html
- https://www.kinderhospiz-bethel.de/start.html
- https://www.dhpv.de/themen_kinder-jugend-hospizarbeit.html
- https://www.wegweiser-hospiz-palliativmedizin.de/de
- https://www.deutsche-kinderhospizstiftung.de
- https://www.deutscher-kinderhospizverein.de
- https://www.bundesverband-kinderhospiz.de
- https://www.wiwo.de/politik/deutschland/inflation-bringt-kinderhospize-in-not-wir-haben-einen-spendenrueckgang-von-50-prozent-das-ist-eine-katastrophe/28884604.html
Leider habe ich den Artikel zu den Kinderhospizen erst jetzt entdeckt. Er ist großartig recherchiert und geschrieben, auf alle Fälle werde ich ihn auf meinem FB-Account teilen. Ganz lieben Dank, dass dieses so wichtige, aber leider wenig bekannte Thema in diesem Blog seinen Platz findet.
Liebe Frau Kometzky-Gräwe,
danke für die Anregung zu diesem Artikel – und auch für Ihr Lob!