Hochsensibilität in der Schule

Hochsensibilität - SpielundLern-Blog

Definition von Hochsensibilität

Der Begriff

Hochsensibilität ist ein umschreibender Begriff für eine bestimmte Art des Temperaments. Der berühmte Psychotherapeut C.G. Jung verwendete diesen Begriff 1913 erstmalig. Erst ab den 1990er Jahren aber kamen mehrere und komplexere Erklärungsansätze für die individuellen Unterschiede in der Sensitivität der Menschen auf. Hochsensibilität und Sensitivität werden oftmals synonym für die damit verbundenen Eigenschaften verwendet.

Die Kernthemen

Hochsensibilität beschreibt einen dauerhaften und stabilen Zustand höherer sensorischer Verarbeitungssensitivität und Erregbarkeit. Hochsensible Menschen weisen eine erhöhte Empfänglichkeit für äußere und innere Reize auf. Licht, Geräusche, Gerüche, eine hektische Umgebung werden zu schwach gefiltert und führen rasch zu Ermüdung und Überreizung. Dieser Persönlichkeitsdisposition widmete sich die amerikanische Psychologin Elaine N. Aron als einer der ersten und ist bis heute eine Pionierin auf diesem Gebiet. Sie ist bis heute die prominenteste Forscherin und Autorin zu diesem Thema. Sie lieferte das nach wie vor basale Forschungswerk zur Hochsensibilität: „The Highly Sensitive Person: How to Thrive When the World Overwhelms You“ von 1996.

Hochsensibilität wird als angeborenes Temperament gesehen und steht somit konträr zur Persönlichkeit, die zu Teilen durch Prägung modelliert wird.

Hochsensibilität wird nicht pathologisch verwendet und nicht als Krankheitsbild begriffen. Entsprechend der Forschung treten manche psychische und kognitive Störungen jedoch bei hochsensiblen Menschen gehäuft auf und es gibt Überschneidungen zu AD(H)S, Angstsymptomatik oder dem Spektrum des Asperger-Autismus.

Hochsensibilität - SpielundLern-Blog

Häufigkeit

Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, zu den hochsensiblen Menschen zu zählen, ist in der Forschung umstritten. Die Anzahl Hochsensibler in der Bevölkerung schwankt sehr stark. Dass 15-20 % der Menschen hochsensibel sind, steht einer konträren Annahme gegenüber, wonach lediglich 1-3 % die der Hochsensibilität entsprechenden Eigenschaften besitzen.

An dieser großen Differenz ist ersichtlich, dass Hochsensibilität augenscheinlich an unterschiedlichen Parametern gemessen wird, der Konsens noch gering und die Studienlage noch dürftig ist.

Merkmale von Hochsensiblen

Hochsensibilität lässt sich schwer zusammenfassen, denn viele Eigenschaften entsprechen nicht nur diesem Temperament. Dennoch gibt es bei Hochsensiblen eine Häufung oder eine Symptomstärke, die auffällig ist:

  • das Erleben und Wahrnehmen ist intensiv und überbordend
  • die Empathie ist sehr stark ausgeprägt
  • die Imagination ist sehr ausgeprägt
  • Perfektionismus und Gewissenhaftigkeit kommen in starker Ausprägung vor
  • die Neigung, Probleme übermäßig zu intellektualisieren
  • starke Grübeleien
  • Selbstwertprobleme und Gefühle, anders zu sein
  • höheres Risiko, psychisch zu erkranken
  • verwandte Störungsbilder sind Angststörungen, Depression oder AD(H)S
Hochsensibilität - SpielundLern-Blog

Auswirkungen von Hochsensibilität in der Schule

Positive Auswirkungen

Hochsensible Kinder und Jugendliche zeigen einen erhöhten Grad an Kreativität und Mitfühlungsvermögen. Sie reflektieren mehr, erkennen Stimmungen besser und nehmen Details von Dingen und Situationen eher und genauer wahr als andere Gleichaltrige. Dies sorgt in einem passenden Umfeld für viele positive Kompetenzen: Hochsensible Schüler sind sozial kompetent, empathisch, kollegial, ideenreich, hilfsbereit und auch lernwillig.

Negative Auswirkungen

Durch das übliche schulische Umfeld kann der Temperamentzug der Hochsensibilität in der Schule in der Regel leider seine positiven Seiten nicht ausreichend zum Vorschein bringen.

Durch die höhere Sensibilität und Reizdurchlässigkeit entsteht häufig Reizüberflutung. Gerade im quirligen Alltag der Schule, das von Leistung, ständiger Interaktion, vielen wechselnden sozialen Kontakten und wenig Rückzugsraum gekennzeichnet ist, sind hochsensible Schüler schneller überfordert und gestresst. Im Schulalltag treffen viele verschiedene Sinneseindrücke, meist aus unterschiedlichen Quellen und häufig zeitgleich, bei hochsensiblen Kindern an: akustische Reize, visuelle Eindrücke, olfaktorische Reize.

Auch räumlich bietet ein Schulgebäude meist keine geeigneten Möglichkeiten des Rückzugs. Im Unterricht kann dies zu Unkonzentriertheit führen, in der Pause zu Reizbarkeit.

Hochsensibilität in der Schule integrieren

Sind tatsächlich etwa 1/4 der Menschen hochsensibel, so trifft dies auch auf Kinder und Jugendliche zu. Wie kann dies im Schulalltag begegnet werden? Welche Lösung gibt es also bei Hochsensibilität in der Schule? Wie können Kinder Hilfe finden und was gilt es für ihr Umfeld zu beachten?

Hochsensibilität - SpielundLern-Blog

Hochsensibilität erkennen

Zeigt ein Kind erhöhtem Stress, Unruhe oder Unkonzentriertheit im Unterricht, so könnte es sich um Hochsensibilität handeln.

Hochsensible Kinder fallen besonders in engstrukturiertem und zeitlich engmaschigem Alltag der Schule auf, da die Reizüberflutung in diesem strukturell starren System sich notgedrungen in problematischen Verhaltensweisen entladen muss. Dies haben Kinder mit Hochsensibilität mit Kindern mit ADHS oder mit einer Angststörung gemein. Es gibt Fälle, bei denen sich eine diagnostizierte ADHS, eine soziale Angststörung oder auch schwach ausgeprägte Formen des Asperger-Autismus im Eigentlichen als Hochsensibilität entpuppten.

Hier können Lehrer durch aufmerksame Beobachtung Fehler vermeiden: Hochsensibilität bei Schülern zeigt sich nicht dauerhaft, sondern nur zeitweise in problematischem Verhalten. Dieses verschwindet in bestimmten günstigen Situationen abrupt: Beispielsweise in Einzelarbeit oder kleinen Arbeitssettings, in reizarmer Umgebung oder bei ausreichenden und ruhigen Pausenzeiten. Die Kinder wechseln also relativ schnell zwischen Überreizung und ihren Symptomen und harmonischen Phasen und reagieren damit immer auf den Reiz- und Spannungszustand der Umgebung.  

Abgesehen davon zeigen hochsensible Kinder und Jugendliche trotz sensitiver Überforderung kaum Einbußen in der Lernleistung. Auch leiden hochsensible Kinder seltener unter Konzentrationsstörungen oder körperlicher Unruhe, wie Kinder mit ADHS oder anderen kognitiven Beeinträchtigungen.  

Umgang durch Diversity Management

Hierbei kommt eine hohe Verantwortung auf die Lehrkräfte zu. Sie sind angehalten, einen Blick auf hochsensible Kinder zu richten und unterstützend zu handeln.

Eine Möglichkeit ist das für das Schulsystem angepasste Modell des Diversity Managements. Das Diversity Management kommt ursprünglich aus dem Personalmanagement, also aus der Wirtschaft. Erst zunehmend weitete es sich auf die Hochschule aus und anschließend, vor nur wenigen Jahren, auf das Schulsystem. Das sogenannte Diversity Management Verfahren für Schulen (das DiMiS-Verfahren) lotet also die Ansätze für die Übertragbarkeit auf das schulische System.

Die Aufgabe des Diversitiy Managements ist es, die Vielfalt der Schüler zu fördern und Heterogenität in einer harmonischen Balance zu halten. Mit Vielfalt sind dabei sowohl religiöse und ethnische wie auch physische und psychische Unterschiede gemeint. Die Theorie dahinter begreift Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit als Kompetenzpool von kreativen und effizienten Teilen einer Gruppe. Dieser positive Blick verhilft nicht nur hochsensiblen Kindern, ihre Eigenarten hinzunehmen und produktiv zu nutzen, sondern erstreckt sich auf alle im Schulalltag zur Tage tretenden „problematischen“ Verhaltensweise in größeren Gruppen von Kindern und Jugendlichen.

Hochsensibilität - SpielundLern-Blog

Physische Hilfsmittel

Die „problematischen“ Symptome von Hochsensibilität in der Schule sind, sobald sie erkannt wurde, auch leicht mit einfachen Mitteln zumindest zu mildern. Kopfhörer zur Abschirmung des Geräuschpegels oder Sichtschutzwände für den Arbeitstisch, ruhige Ecken im Klassenzimmer und die Arbeit in kleinen Gruppen sind alles leicht umsetzbare Hilfestellungen für hochsensitive Kinder.

Hochsensibilität im Test

Bedauerlicher Weise gibt es augenscheinlich noch ungenügend spezialisierte Tests und unreife Testverfahren, um die Hochsensibilität messbar anzuzeigen. Über ein Ausschlussverfahren durch andere Test können Therapeuten differentialdiagnostisch die Hochsensibilität näher eingrenzen und eventuell auch konkret diagnostizieren.  

Bildquellen

  • Pixabay @ Gerd Altmann
  • Pexels @ Pixabay
  • Pixabay @ André Rau
  • Pixabay @ Joe
  • Pixabay @ Benjamin Balazs

Quellen

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Hochsensibilit%C3%A4t
  • https://lexikon.stangl.eu/2896/hochsensibilitaet
  • https://www.minimed.at/medizinische-themen/psyche/hochsensibilitaet
  • https://www.infomedizin.de/news/bericht/732-hochsensibilitaet
  • https://www.bildungsserver.de/fisaktuell.html?FIS_akt_Nr=25219
  • https://netlibrary.aau.at/obvuklhs/download/pdf/2410571?originalFilename=true

Ein Kommentar zu “Hochsensibilität in der Schule”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Die Datenschutzbestimmungen habe ich zur Kenntnis genommen.