Was ist herkunftssprachlicher Unterricht?
Als Herkunftssprachlicher Unterricht (abgekürzt als HSU) bezeichnet man in Deutschland jener Unterricht in der Herkunftssprache, der sich als Angebot an mehrsprachige Kinder und Jugendliche richtet, deren familiäre Herkunft nicht Deutsch ist.
Der herkunftssprachliche Unterricht ist in den meisten Schulen und Bildungsstätten als Angebot für alle interessierten Schülerinnen und Schüler verfügbar, teils freiwillig teil als Wahlpflichtfach zu belegen.
Der Bedarf, die Vorteile und die Existenzberechtigung des herkunftssprachlichen Unterrichtes wird seit seiner Einführung immer wieder in Frage gestellt, bekam jedoch mit dem Aufflammen des Ukrainekonfliktes und den Geflüchteten neuen Aufwind.
Diese Unterrichtsform ist ein staatliches Angebot – als Gegenkonzept zum bereits jahrzehnte bestehenden Konsulatsunterricht.
Herkunftssprachlicher Unterricht vs. Konsulatsunterricht
Der Konsulatsunterricht gibt es seit 1964. Seit längerem schon ist dieser in die Kritik geraten, weil er zum großen Teil nicht staatlich kontrolliert wurde, sodass in manchen Fällen politische oder konfessionelle Einflussnahme auf die Schüler festgestellt wurde bzw. zumindest nicht ausgeschlossen werden konnte. Beim Konsulatsunterricht werden weder Lehrpläne noch Lehrkräfte von Bund oder Land festgelegt, auch die Finanzierung übernehmen hierbei Landesbotschaften oder Konsulate.
Herkunftssprachlicher Unterricht wird hingegen vom Bundesland organisiert: Hierüber wird die gesamte Finanzierung abgewickeln sowie werden die Unterrichtsmaterialien und Lehrpläne entworfen und die Lehrkräfte eingestellt.
Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Bayern bieten (mit Stand 2022) keinen staatlichen herkunftssprachlichen Unterricht an. Es besteht nach wie vor allein der Konsulatsunterricht, deren Organisation und Inhalte jedoch bei Treffen mit dem Kultusministerium besprochen werden. In diesen Bundesländern ist auch längerfristig keine staatliche Form des Unterrichtes geplant, sondern es wird von staatlicher Seite die Förderung der deutschen Sprache priorisiert.
Angebotene Sprachen
Herkunftssprachlicher Unterricht ist ein thematisch gemischter, lebensweltlicher Unterricht, der in der jeweiligen Herkunftssprache der Schüler abgehalten wird. Es gibt diesen Unterricht je nach Bundesland in rund 20 verschiedenen Sprachen, u.a. in:
- Albanisch
- Arabisch
- Bosnisch
- Bulgarisch
- Griechisch
- Italienisch
- Kroatisch
- Kurdisch
- Makedonisch
- Persisch
- Polnisch
- Portugiesisch
- Rumänisch
- Russisch
- Serbisch
- Spanisch
- Türkisch
Einige Bundesländer bieten rund 4 Sprachangebote an, andere hingegen über 20. Die Lehrkräfte sind Muttersprachler. Die Schüler lernen dort ihre Muttersprache oder die Sprache ihrer Herkunft kennen und verbessern so ihr Sprechvermögen.
Adressat des Unterrichtes in der Herkunftssprache
Diese Form des Unterrichtes ist für in Deutschland lebende Schüler der Grund- oder Oberstufe gedacht, die eine andere Herkunftssprache sprechen als Deutsch. Diese bekommen wahlweise die Möglichkeit oder die Auflage, regelmäßig einen sogenannten Herkunftssprachunterricht in der Sprache ihrer Herkunftsländer zu besuchen.
Orte für herkunftssprachlicher Unterricht
An einigen Schule gibt es das Angebot des herkunftssprachlichen Unterrichtes direkt im Schulgebäude. Häufig jedoch wird dieses Angebot auch an außerschulischen Standorten angeboten, sodass Schüler aus unterschiedlichen Schulen und Stadtteilen sich hierzu zusammenfinden.
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Wann findet der herkunftssprachliche Unterricht statt?
Der herkunftssprachliche Unterricht findet meist nicht im eigenen Klassenverband statt, sondern im Anschluss an den Regelunterricht. Um den Besuch dieser Zusatzstunden zu ermöglichen, bekommen die betroffenen Schüler in den meisten Fällen Freistellungen von anderen Unterrichtsstunden.
Mancherorts jedoch gelingt die Verknüpfung des herkunftssprachlichen Unterrichts mit dem regulären Fachunterricht, indem das gemeinsame Unterrichten der Lehrkräfte in der Grundschule möglich gemacht wird.
Umfang und Freiwilligkeit des HSU
In der Regel findet der Unterricht in der Herkunftssprache ein Mal wöchentlich am Nachmittag statt.
Der HSU ist je nach Bundeland teils freiwillig, teils verpflichtend. So haben einige Bundesländer beschlossen, den Herkunftssprachunterricht nur noch für bestimmte Personengruppen anzubieten. So ist in Baden-Württemberg nur noch der Unterricht für Migrantinnen und Migranten mit Aufenthaltsgestattung oder Asylstatus freiwillig. In anderen Bundesländern wie Bayern oder Sachsen-Anhalt ist der herkunftssprachliche Unterricht hingegen für alle Schülerinnen und Schüler obligatorisch.
Grundlage des Unterrichtes in der Herkunftssprache
Der herkunftssprachliche Unterricht ist als Erweiterung des Spracherwerbs über den Deutsch- und Fremdsprachenunterricht an Schulen hinaus konzipiert.
Der Gedanke hinter dem HSU begründet sich auf die Erkenntnis, dass zugewanderte Kinder und Jugendliche Mehrfachzugehörigkeiten entwickeln, sich meist mehr als einer bestimmten Kultur verbunden fühlen und Integration und Teilhabe in der hiesigen Kultur nur durch sprachliche Verwurzelung gelingen.
Muttersprache vs. Herkunstsprache
Die Herkunftssprache ist nicht analog mit der Muttersprache zu verstehen. Während Muttersprache die Sprache bezeichnet, in denen ein Kind hineingeboren wird, bedeutet Herkunftssprache lediglich die Familiensprache. Viele der an HSU Beteiligten gehören der zweiten oder dritten Migrationsgeneration an, ein Großteil von ihnen wurde in Deutschland geboren, sie besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft und haben mit ihrer Ursprungskultur in der Außenwelt keine großen Berührungspunkte mehr. Die Sprache ihrer Herkunft jedoch gebrauchen sie im privaten familiären Rahmen nach wie vor. Durch das private Umfeld verkümmert die Herkunftssprache jedoch häufig auf einen rudimentären Alltagsgebrauch und entfernt sich somit eklatant von der Bildungssprache. Nur diese jedoch eröffnet den jungen Menschen Teilhabe – sowohl hier als auch in ihren Herkunftsländern.
Vorteile der HSU im Schulkonzept
Der Herkunftssprachunterricht hat viele Vorteile. Zum einen kann er helfen, bestimmte Schwierigkeiten im Alltag zu überwinden, indem es den Schülern eine schulnahe, zusätzliche Diskussions- und Austauschmöglichkeit bietet. Dazu kann der so entstehende Zusammenschluss von jungen Erwachsenen gleicher Herkunfssprache:
- zur Identitäsfindung verhelfen,
- Selbstbewusstsein und Integrationsfähigkeit steigern,
- interkulturelle Kompetenzen bilden und auch ganz allgemein
- zu einer höheren Kommunikationsfähigkeit und
- ausgeprägterem Wohlbefinden in dieser sowie der Herkunftskultur beitragen.
Als Gegenkonzept zum Konsulatsunterricht verhilft der herkunftssprachliche Unterricht dabei, Wissen über Sprache und Kultur politisch und konfesionell neutral zu vermitteln.
Bildquellen
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Quellen
- https://www.mehrsprachigkeit.uni-hamburg.de/oeffentlichkeit/grundwissen/hsu.html
- https://www.schulministerium.nrw/herkunftssprachlicher-unterricht
- https://www.deutschlandfunk.de/herkunftssprachlicher-unterricht-das-potenzial-mehrsprachig-100.html
- https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Herkunftssprachlicher_Unterricht_2019.pdf
- https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/herkunftssprachlicher-unterricht-eine-frage-der-bildungsgerechtigkeit/
- https://deutsches-schulportal.de/unterricht/zahlen-und-fakten-ueber-herkunftssprachlichen-unterricht/
- https://www.mehrsprachigkeit.uni-hamburg.de/oeffentlichkeit/grundwissen/bildungssprache.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/Muttersprachenf%C3%B6rderung
- https://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/bildungwissenschaft/schule/angebote/herkunftssprachlicher_unterricht/index.html
- https://www.rhein-sieg-kreis.de/wirtschaft-bildung/schulen/herkunftssprachlicher-unterricht.php
- https://www.bra.nrw.de/bildung-schule/unterricht/integration-durch-bildung/herkunftssprachlicher-unterricht-hsu
- https://migration.bildung-rp.de/herkunftssprachen-unterricht-hsu.html
- https://bildungsportal-niedersachsen.de/sib/mehrsprachigkeit-interkulturalitaet/herkunftssprachlicher-unterricht
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