Wer hat sie nicht? Rückenbeschwerden. Von Glück kann sagen, wer nur Verspannungs- und Muskelschmerzen kennt. Beim Hexenschuss spätestens hört der Spaß auf. Und der kann auch schon junge Menschen treffen. Auch der eingeklemmte oder entzündete Ischiasnerv ist gefürchtet und stellt das alltägliche Leben (und Arbeiten) auf den Kopf. Vom Bandscheibenvorfall gar nicht zu reden. Was bei den meisten Rückenbeschwerden eine zentrale Rolle spielt: Wir sitzen zu viel. Oder falsch…
Schaffen Sie 75 Minuten intensive Bewegung in der Woche?
Die Deutsche Krankenversicherung hat 3102 Menschen zu ihren Alltagsgewohnheiten befragt. Im Schnitt sitzen wir demnach täglich siebeneinhalb Stunden. Junge Leute sogar noch mehr. Angeblich sitzen viele immer noch am längsten vor dem Fernseher. Viele aber sicher auch bei der Arbeit, im Büro vor dem PC etwa. Kinder mit eigenem Fernseher (oder PC) im Kinderzimmer können unseren ungesunden Lebensstil gleich kopieren. Fett- und Blutzuckerstoffwechsel werden darauf entsprechend reagieren. Wer abends mit Nackenschmerzen ins Bett geht, der hat einen guten Indikator dafür, dass beim Thema Gesundes Sitzen etwas falsch läuft. Die Rückseite der Medaille ist natürlich: wir bewegen uns zu wenig! Bewegung meint dabei alles zwischen Gehen und Sport treiben. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass schon 75 Minuten Sport in der Woche negative gesundheitliche Konsequenzen durch Bewegungsmangel vermeiden können. Wöchentliche zweieinhalb Stunden nicht-sportliche Bewegung wie Spazierengehen würden es auch tun.
Dynamisches Sitzen
Der erste Ratschlag lautet also: Sitzen Sie nicht so viel. Integrieren Sie Bewegung in Ihren Alltag oder treiben Sie regelmäßig Sport. Aber natürlich ist vieles Sitzen für viele nicht oder nur schwer zu vermeiden. Und das hauptsächlich aus beruflichen Gründen. Also stellt sich die Frage: Wie sitze ich am besten, wenn es schon sein muss? Und da ist Sitzen nicht gleich Sitzen. Die Antwort ist sogenanntes dynamisches Sitzen oder auch aktives Sitzen. Gemeint ist damit: Sitzen sie nicht starr und setzen Sie nicht Ihre Wirbelsäule einer monotonen Belastung aus. Nach kurzer Zeit in derselben Sitzhaltung werden die Bandscheiben nicht mehr ausreichend durchblutet. Die Rückenmuskulatur verspannt sich und ist auf Dauer überbelastet. Die Schmerzanfälligkeit steigt. Dynamisches Sitzen dagegen ist ein bewegtes Sitzen. Die Sitzposition wird häufig gewechselt.
Die drei Sitzhaltungen beim Dynamischen Sitzen
Wechseln Sie also zwischen folgenden drei zentralen Sitzhaltungen:
- Bei der Vorderen Sitzhaltung wird der Oberkörper leicht nach vorne gebeugt. Stützen Sie die Unterarme dabei auf dem Schreibtisch ab.
- Bei der Aufrechten Sitzhaltung bilden sie rechte Winkel mit Ober- und Unterarm und Ober- und Unterschenkel. Füße dabei auf dem Boden, die Fersen in einer Linie zu den Kniekehlen.
- Bei der Hinteren Sitzhaltung lehnen Sie sich zurück, die Beine in einem offenen Winkel.
Sie kennen diese Haltungen. Sie müssen sie nur bewusst und oft wechseln. Und Sie spüren auch, wie angenehm jeder Wechsel ist.
Gesundes Sitzen als Tätigkeit
Ausgehend von den drei Sitzhaltungen und ihrem permanenten Wechsel lässt sich Gesundes Sitzen zusammenfassen: Begreifen Sie Sitzen als Tätigkeit! Bleiben Sie also auch beim Sitzen in Bewegung. Das ist wesentlich eine Sache des Kopfes. Halten Sie ihr Bewusstsein dafür wach, wann Sitzen (besonders) ungesund ist, nämlich wenn sie unbewusst in Bewegungslosigkeit versinken. Wechseln Sie also nicht nur ständig die Sitzhaltung, sondern bewegen Sie regelmäßig Hüfte und Becken, Schultern und Kopf. Stehen Sie mindestens einmal in der Stunde auf und strecken Sie sich. Wievielen von uns wurde in der Kindheit das Falsche vermittelt: das Stillsitzen und das gerade Sitzen. Aber wer (dauerhaft) aufrecht sitzt, belastet seine Bandscheiben besonders stark. Alles andere als ein 90-Grad-Winkel zwischen Oberschenkel und Wirbelsäule ist definitiv gesünder.
Gesundes Sitzen im Büro?
Wenn Sie Sitzen als Tätigkeit begreifen und dem täglichen Sitzmarathon auch regelmäßig sportliche Bewegung entgegensetzen, dann ist das zunächst mal unabhängig von ihrer konkreten Sitzgelegenheit. Aber natürlich gibt es Varianten, die gesundes Sitzen unterstützen. Generell sind Stühle dann für längeres Sitzen geeignet, wenn sie individuell einstellbar sind. Außerdem sollten sie – Sie ahnen es schon – Bewegung fördern durch eine in ihrer Konstruktion angelegten Sitzdynamik. Solche Stühle verdienen sich das Adjektiv ergonomisch. Ergonomie ist die Wissenschaft von den Gesetzmäßigkeiten menschlichen Arbeitens. Ihr Ziel ist die Optimierung von Arbeitsbedingungen, insbesondere hinsichtlich des Wohlbefindens des arbeitenden Menschen. Ein ergonomischer Bürostuhl soll also dazu beitragen, dass Sie sich beim arbeitsbedingten, längeren Sitzen im Büro keine Rückenschmerzen oder gar chronische Rückenprobleme einhandeln.
Ergonomische Bürostühle
Ein ergonomischer Bürostuhl sollte zuallererst höhenverstellbar sein. Das ist sinnvoll, selbst wenn der Stuhl nur für Sie angeschafft wurde, und Sie sich schon länger nicht mehr im (körperlichen) Wachstum befinden. Arbeitssituationen können variieren. Ist auch die Rückenlehne verstellbar, umso besser!
Die Drehbarkeit eines Bürostuhls ist für unsere Sitzdynamik wichtig. Das Drehmoment ist immer eine gesunde Aufforderung zu kleinen Bewegungen, die Sie schon ganz lässig aus der Hüfte heraus vornehmen können.
Eine besonders schöne Variante sind Sanus Gesundheitsstühle, deren Lehne sich einfach nach vorne drehen lässt. Selbst ohne Schreibtisch können Sie sich so mit den Unterarmen aufstützen und die Bandscheiben entlasten (vordere Sitzhaltung!). Auch ein Bürostuhl wie der Variowip, bei dem neben der Lehne auch der Sitz neigbar ist, erhöht das Maß an ergonomischer Flexibilität. Ein leicht nach vorne geneigter Sitz, unterstützt die natürliche Lendenwirbelkrümmung, die Lordose. Die Variante mit ergonomisch geformtem Sattelsitz erhöht dabei den Halt und fördert die Durchblutung.
Gesundes Sitzen auf dem Gymnastikball?
Als Lösung für vieles Sitzen im Büro geisterte früher ein besonderer Tipp durchs Internet: der Gymnastikball. Er heißt auch Pezziball und hat den Vorteil, dass er wegrollen kann. So ein Sitzball ist also beweglich, er erfordert dauernde Ausgleichsbewegungen, damit man nicht die Balance verliert. Ein vollwertiger Ersatz zu einem ergonomischen Bürostuhl kann er aber nicht sein. Einmal abgesehen von der auch nicht zu unterschätzenden Sturzgefahr: ein Gymnastikball ist nicht wirklich individuell einstellbar. Die grobe Höhenempfehlung lautet, bis 1,78m Körpergröße reicht ein Sitzball mit 65cm Durchmesser, ab 1,79m kommt die 75cm-Variante zum Einsatz. Zweitens werden bei permanentem Sitzen auf dem Pezziball die kleinen Muskeln überlastet, die unsere Wirbelkörper in der richtigen Position halten.
Der Gymnastikball ist ein Trainingsgerät
Konsens zum Thema Pezziball ist mittlerweile: eine gewisse Sitzzeit trainiert die Rumpfmuskulatur. Länger als ein Drittel der gesamten Sitzzeit in Büro oder im Homeoffice sollte das Sitzen auf dem Sitzball aber nicht ausmachen. Ideal wäre eine halbe Stunde als positive Abwechslung im Büroarbeitstag. Der Pezziball lenkt dann die Konzentration auf die eigene Sitzposition und fördert die Bewusstheit für ein gesundes Sitzen. Noch besser macht sich der Gymnastikball allerdings jenseits der Arbeitszeit, nämlich als Trainingsgerät für Übungen zur Koordination, Ausdauer und zur Stärkung des gesamten Muskelapparats.
Fazit zum gesunden Sitzen
Lässt sich häufiges oder gar langes Sitzen nicht vermeiden, dann ist die einzige Rettung vor Rückenproblemen ein Sitzen, das sie bewusst als Tätigkeit vollziehen. Nur ein aktives oder dynamisches Sitzen vermeidet die Haltungsmonotonie, in die wir leicht z.B. bei konzentrierter Arbeit verfallen. Wie auch immer Sie es nennen, gesundes Sitzen hat mit Bewegung zu tun. Und je mehr und besser Sie sich auch jenseits Ihrer Sitzphasen bewegen, desto ausdauernder wird ihre Muskulatur sein. Idealerweise stärken Sie durch Rückentraining gezielt Ihre Muskulatur. Damit Ihre Wirbelsäule sich beim Sitzen nicht so schnell im Stich gelassen fühlt.
Quellenverweise:
- https://www.gesuendernet.de/news/gesundheitstrends-a-statistiken/item/1070-dkv-studie-deutsche-sitzen-zu-viel.html
- https://www.gesuendernet.de/gesundheit/koerper-a-geist/item/713-tipps-zur-richtigen-sitzhaltung.html
- http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/who-studie-wo-die-bewegungsmuffel-wohnen-a-1226502.html
- http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/arbeitsplatz/mobiliar/arbeitsstuhl.htm
- https://eatsmarter.de/blogs/ingo-froboese/gymnastikball-als-buerostuhl-gesund-oder-ungesund
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