Kinderarmut in Deutschland Kindern erklärt – Armut Kindern erklären, Tipps für Eltern und den Unterricht

Was ist Kinderarmut und wie erkennt man armutsbedrohte Kinder

Kinderarmut Definition

Kinderarmut betrifft Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen finanziellen Situation leben. Diese Kinder leben in Familien, deren Einkommen oder staatliche Unterstützung lediglich die Grundkosten für Wohnung und Nahrung abdeckt. Kinderarmut kommt vor allem in Familien vor, in denen die Eltern arbeitslos oder alleinerziehend sind. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Kinderzahl: Je mehr Kinder, desto eher sind diese von Armut bedroht.

Dabei ist Kinderarmut in Deutschland häufig auf den ersten Blick unsichtbar.

Kinderarmut und das Solidarsystem

Kinderarmut bedeutet in Deutschland, dass die Kinder mit ihren Familien trotzdem eine Unterkunft haben und nicht Hunger leiden müssen. Sie sind mit ihren Familien in einem Solidarsystem eingebettet. Dieses ermöglicht ihnen mittels Mietbeteiligung oder Sozialwohnungen eine Unterkunft, durch Sozialgelder eine Grundversorgung für Kleidung und Dinge des täglichen Bedarfs und durch zentrale kostenlose oder ermäßigte Nahrungsmittelplattformen wie beispielsweise Die Tafel den erschwinglichen Zugang zu den Grundnahrungsmitteln. Durch Kinderzuschlag und Leistungen für Bildung und Teilhabe, die altersgemäß gestaffelt sind und zum Kindergeld dazugezahlt werden, soll die von Armut bedrohten Kindern unterstützen, am sozialen Leben und an außerschulischen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen.

Kinderarmut in Deutschland ist daher in den meisten Fällen nicht gleichbedeutend mit Obdachlosigkeit oder Hunger. Familien, die in Deutschland von Armut betroffen sind, haben so gesehen eine gesicherte Existenz.

Das ist Segen und Problem zugleich. Denn die Kehrseite ist: Was beinahe Unsichtbar ist, fällt aus dem Bewusstsein der Gesellschaft heraus, wird wenig beachtet.

Wie viele Kinder in Deutschland sind von Kinderarmut betroffen?

Zahlen für schnellen Überblick

Ein Fünftel aller Kinder in Deutschland lebt in Armut, damit befinden sich also über 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre in einer wirtschaftlich benachteiligten Lage.

In der Folge der Corona-Pandemie haben sich die Werte in den letzten zwei Jahren erhöht.  

Rein rechnerisch befinden sich in jeder Schulklasse etwa fünf Kinder, die in Armut leben. Im persönlichen Umfeld hieße dies: Von 10 befreundeten Familien sind zwei von Armut betroffen.

Komplexe Zählungen

Die Sachlage insgesamt ist hingegen komplexer. Es gibt rund fünf Armutsdefinitionen, zwei der gängigen sind folgende:

– die sozialstaatlich definierte Armutsgrenze: Diese umfasst alle Haushalte, die von Sozialleistungen wie beispielsweise SGB II oder Hartz IV, aktuell Bürgergeld genannt, leben.

– zum anderen gibt es die relative Einkommensarmut: Hier gelten Kinder als arm, wenn sie in Familien leben, deren Haushaltseinkommen weniger als 60 % des mittleren Einkommens aller deutschen Haushalte beträgt.

Schwellenwerte für Einkommen

Der sogenannte Schwellenwert für Armutsgefährdung nach der relativen Einkommensarmut lag 2020 für Alleinerziehende bei 14.076 Euro im Jahr. Für Familien war er höher. Eine Beispielrechnung ergab bei einem Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren einen Schwellenwert von rund 29.500 Euro Jahreseinkommen jährlich.

Hartz-IV und Großfamilie

Von den rund 21 % der Kinder in Deutschland, die von Kinderarmut betroffen sind, sind 1/3, also rund 7 %, nach sozialstaatlich definierter Armutsgrenze betroffen, stammen demnach aus „Hartz-IV“-Haushalten. Wiederum die Hälfe der 21 % betroffenen Kinder, demnach 10 %, kommen aus Haushalten mit regulär arbeitenden Eltern.

Trotz mehr familienpolitischer Leistungen verschlimmert sich mit steigender Kinderzahl auch die prekäre Lage der Kinder in betroffenen Familien. Besonders Alleinerziehende mit mehr als drei Kindern machen über 65 % jener aus, die SGB-II-Leistungen beziehen und somit unter der sozialstaatlich definierten Armutsgrenze fallen. (Während nur 20 % der Großfamilien mit zwei gemeinsam erziehenden Eltern davon betroffen sind.)

Bezüglich der Kinderarmut gibt es regionale Unterschiede. Besonders schwerwiegend ist die Lage von Armut bedrohter Kinder in den Stadtstaaten Bremen und Berlin.

Die Nachteile armer Kinder

Folgen: Bildung, Gesundheit und soziale Teilhabe

Es gibt in Deutschland familienpolitische Leistungen für von Armut betroffene Kinder. Dennoch müssen diese Kinder häufig mit großen Einschränkungen leben.

In der Regel müssen sie:

• mit einer sehr beschränkten Nahrungsmittelauswahl zurechtkommen,
• in einem beengten Wohnraum leben ohne individuelle Rückzugsmöglichkeiten,
• aufwachsen in einem Wohnumfeld, das sich nicht selten in prekären Stadtteilen befindet
• sowie die Freizeitaktivitäten stark einschränken und
• auf teure Sportarten oder Musikunterricht und auf altersentsprechende Unternehmungen oder Besorgungen verzichten wie Kinobesuche, Schwimmbad oder modische Trends.

Diese Auflistung zeigt: Von Armut betroffene Kinder bekommen nicht nur unzureichenden Zugang zu materiellen Mitteln, sondern auch zu kulturellen und Angeboten des sozialen Lebens. Dies schränkt sie durchgehend in ihren sozialen Interaktionen, ihrer Bildungserfahrung und ihrer kulturellen und politischen Teilhabe ein. Es kommt zu Bildungsarmut, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und gesellschaftlichen Rückzug.

Emotionale und psychische Folgen

Als letztendliche und langfristige Folge sind emotionale und psychische Beeinträchtigungen zu nennen. Gerade die große Scham und der daraufhin folgende Rückzug aus der sozialen Gruppe, der Verlust des Selbstbewusstsein und damit einhergehend eine häufig mangelnde Lernleistung prägen Kinder auf ihrem privaten und beruflichen Lebensweg bis ins erwachsene Leben hinein.

Kinderarmut im Unterricht

Kinderarmut für Kinder erklärt

Wie erklärt man Kinderarmut in Deutschland den Kindern? Wie können Eltern oder Lehrer in einfacher Sprache einen solchen komplexen Sachverhalt erläutern?

Die Fragestellung ist multidimensional, denn sie berührt viele unterschiedliche Aspekte. Gleichzeitig bedarf die Auseinandersetzung damit große Feinfühligkeit, denn Armut kann die Kinder in der Klasse oder sogar die eigene Familie selbst betreffen, wird also häufig unmittelbar und beeinträchtigend erfahren. Die meisten Kinder, die von Kinderarmut betroffen sind, schämen sich ihrer Lage, haben Angst vor Stigmatisierung und vor Verurteilung durch die anderen Kinder und verbergen daher mit aller Macht ihre schwierige Lage.

Wichtig ist es dennoch, die Fragestellung nach arm und reich in der Klasse und zu Hause aufzuarbeiten, denn gerade in der Schule werden die sozialen Unterschiede offensichtlich.

Diskussionsrunden und objektive Information

Um Kinder, die von Armut betroffen sind, nicht „zur Schau zu stellen“, ist es wichtig, dass es in der Klasse neutrale und informative Diskussionsrunden und Vorträge zum Thema Kinderarmut gibt. Dies bestenfalls von den Schülern selbst.

Je objektiver das Thema behandelt wird, desto besser. Jeder betroffene Kind oder Jugendlicher sollte sich nur freiwillig anvertrauen oder „zu erkennen geben“.

Je höher und besser die Information des Klassenverbandes über die nicht selbst verschuldete „Falle“ der Kinderarmut, desto geringer fällt die Stigmatisierung aus, sobald ein Kind als solches „erkannt“ wird.

Projekttage und konkrete Hilfe

Ein Ansatz ist es, wenn die Kinder selbst Hilfsorganisationen besuchen, dort mithelfen oder spenden können. Die Möglichkeiten sind vielfältig:

• bei „Der Tafel“ Essen ausgeben
• für „Die Arche“ Essen kochen oder in der Küche helfen
• Spenden sammeln für Hilfsorganisationen, die sich gegen Kinderarmut engagieren
• Spendenlauf, Spendenverkäufe oder -tombola in der Schule organisieren

Der aufmerksame Blick der Lehrer

Die Anzeichen für Kinderarmut in der Schule sind nicht deutlich, aber sichtbar:

• Kinder kommen ohne Brotdose zur Schule
• sie haben keine wetterentsprechende Kleidung und wenig oder keine gesonderte Sportkleidung
• häufig bringen sie Geld für Material oder Ausflüge zu spät oder gar nicht
• Verabredungen, Klassenfahrten oder kostspielige Unternehmungen werden in der Regel mithilfe von Ausreden abgesagt
• sie sind entweder sozial zurückgezogen oder aber in problematischen Cliquen unterwegs

Es ist wichtig, das Thema Kinderarmut letztlich auch persönlich mit den betroffenen Kindern zu besprechen. Ein Vertrauenslehrer oder der Schulpsychologe, der Lieblings- oder Klassenlehrer – sie sind angehalten, das Thema unter vier Augen und vertrauensvoll anzusprechen, von Stigma und Scham zu befreien und schnelle Hilfe anzubieten.

Bildquellen

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• Pixabay @ Antonio Romagnolo
• Pexels @ Keira Burton, Pexels @ Mikhail Nilov, Pexels @ mong mong

Quellen

• https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/armutsmuster-in-kindheit-und-jugend
• https://www.bundestag.de/resource/blob/514144/9806e9989a225bde4d71460aac021a6a/wd-9-017-17-pdf-data.pdf
• https://www.bpb.de/themen/familie/familienpolitik/260000/kinder-und-armut-was-macht-familien-arm/
• https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/291_2020_BST_Facsheet_Kinderarmut_SGB-II_Daten__ID967.pdf
• https://de.wikipedia.org/wiki/Kinderarmut_in_den_Industriel%C3%A4ndern
• https://deutsches-schulportal.de/schule-im-umfeld/die-arche-ein-ort-an-dem-kinder-nicht-spueren-dass-sie-arm-sind/?utm_source=+CleverReach+GmbH+%26+Co.+KG&utm_medium=email&utm_campaign=Newsletter+KW+52%2F2022&utm_content=Mailing_14120245
• https://deutsches-schulportal.de/schule-im-umfeld/deutscher-kinderschutzbund-heinz-hilgers-wir-muessen-auf-die-kinder-hoeren/?utm_source=+CleverReach+GmbH+%26+Co.+KG&utm_medium=email&utm_campaign=Newsletter+KW+52%2F2022&utm_content=Mailing_1412024
• https://deutsches-schulportal.de/kolumnen/fabian-soethof-wie-erklaere-ich-kindern-was-arm-und-reich-bedeuten/?utm_source=+CleverReach+GmbH+%26+Co.+KG&utm_medium=email&utm_campaign=Newsletter+KW+52%2F2022&utm_content=Mailing_14120245
• https://deutsches-schulportal.de/schule-im-umfeld/armut-ist-schambehaftet/?utm_source=+CleverReach+GmbH+%26+Co.+KG&utm_medium=email&utm_campaign=Newsletter+KW+52%2F2022&utm_content=Mailing_14120245
• https://www.whk-online.de/leben-in-armut/?gclid=Cj0KCQjwk7ugBhDIARIsAGuvgPb1ceGqDGfqp0z_mUPese61E7BzWjKf15qzZ3Livx6QYilixsIR5o8aAhyxEALw_wcB
• https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/320612/kinderarmut/
• https://www.malteser.de/aware/hilfreich/kinderarmut-in-deutschland-alles-was-du-darueber-wissen-musst.html
• https://www.socialnet.de/lexikon/Kinderarmut
• https://www.kieler-gegen-kinderarmut.de/kinderarmut-informationen/ursachen-und-folgen-von-kinderarmut
• https://www.kinderinfo.de/kind/kinderarmut/