Was ist die Ein-Fach-Lehrkraft?
Die Ein-Fach-Lehrkraft ist eine Bezeichnung, die in Verbindung mit einer Vereinfachung der Einstellungskriterien von LehrerInnen zusammenhängt. Die Ein-Fach-Regelung hat die Zielsetzung, die Laufzeit der universitären Lehramtsausbildung und des Quereinstiegs erheblich zu verkürzen. Der Aufruf nach einer Ein-Fach-Lehrkraft kommt seit einiger Zeit verstärkt in Presse und Fachbeiträgen auf – als Überlegung einer Alternative zu den derzeitigen langen Laufzeiten der Lehrerausbildung.
Die Ein-Fach-Lehrkraft bezeichnet eine in das Lehramt einsteigende Lehrkraft, die nur in einem Fach anerkannt und auch nur für ein einziges Unterrichtsfach eingestellt wird. Es handelt sich dabei um Lehramtsstudierende nur mit Bachelor-Abschluss oder quereinsteigende Bewerber. Dabei entfällt die bisherige einhergehende Verpflichtung, nachträglich und parallel zum Schuldienst ein weiteres Fach zu studieren – entgegen den aktuellen Anforderungen.
Aktueller Stand im Studium und im Quereinstieg
Für die Lehramtsstudierenden wird in diesem Zusammenhang angeregt, eine Umorientierung in der universitären Lehrkräfteausbildung zuzulassen, sodass Bachelor-Absolventen mit nur einem Fach bereits als vollwertige Lehrer ins Lehramt einsteigen können – zumindest im Bereich der Grundschule. Bisher können Studierende als sogenannte SeiteneinsteigerInnen zwar bereits unterrichten, jedoch zeitlich sehr begrenzt, denn sie müssen dennoch parallel ihr Studium bis zum Masterabschluss bringen.
Quereinsteiger ins Lehramt kommen aus dem Ausland oder aus anderen Berufszweigen, es handelt sich um Akademiker mit fachverwandten Qualifikationen. Sie belegen in einer Bewerbung gegenüber dem Schulamt ihre bisherigen universitären oder beruflichen fachlichen Qualifikationen. Diese können sowohl aus einem vorigen Studium fachverwandter Fächer sowie einer beruflichen fachnützlichen Erfahrung entstammen. Häufig wird aufgrund dieser Qualifikationen häufig nur ein Schulfach anerkannt.
Bisher verhält es sich so, dass ein Zweitfach für Quereinsteiger verpflichtend ist. Gleichzeitig jedoch ist die Anerkennung eines zweiten Faches scheinbar nicht selten eine Ermessensfrage, zumindest jedoch nicht transparent, und hängt stark davon ab, in welchem Bundesland der Quereinstieg erfolgt sowie zu welchem Zeitpunkt die Bewerbung lanciert wird.
Problematik 1: Die Verpflichtung zum Zweitfach
Erkennt das Schulamt nur ein Fach an, so muss der Student doppelt so lange studieren und der Quereinsteiger parallel zum Referendariat unterrichten – und zeitgleich das fehlende Zweitfach nachstudieren.
Die Folgen sind absehbar: Ein Großteil der Quereinsteiger hat durch die derzeitig verpflichtende Zwei-Fach-Regelung einen erheblichen Mehraufwand.
Dies resultiert in drei nachteiligen Folgehandlungen:
- Ein großer Teil der Quereinsteiger reduziert seine Unterrichtsstunden. Anders ausgedrückt: Die Verpflichtung zum Zweitfach verhindert die sofortige Vollzeitbeschäftigung von Quereinsteigern.
- Da das parallele Nachstudieren des Zweitfaches neben Referendariat und Unterrichtstätigkeit abgetragen wird, vertagt sich das volle „Lehrpotential“ eines Quereinsteigers damit um eine lange Zeit – viel zu lang angesichts der Dringlichkeit des Lehrermangels. Insgesamt steht ein Quereinsteiger, der ein Zweitfach nachstudieren muss, erst nach einer berufsbegleitenden Nachqualifizierungszeit von viereinhalb Jahren dem Schulwesen in Vollzeit zur Verfügung.
- Nicht selten unterbrechen Quereinsteiger unter dem großen Druck dieser Dreifachbelastung ihre Unterrichtstätigkeit und verlassen den Schuldienst. Die Zahlen sind schockierend: Rund 50 % der Quereinsteiger brechen vorzeitig ab.
Problematik 2: Blockierende und starre Strukturen
Während in Berlin vor 5 Jahren eine ehemalige Biologie-Studentin noch problemlos für die zwei Schulfächer Biologie und Deutsch eingestellt wurde, durfte vor 3 Jahren eine früher als Coach in der Erwachsenenbildung tätige Frau, deren Studium nicht fachrelevant war, in den beiden Fächern Deutsch und Mathematik eingestellt werden und unterrichten. Ein Jahr später hingegen wurde eine Studienabsolventin in Germanistik und Kunst nur für das Unterrichtsfach Deutsch zugelassen. Das Fach Kunst bedeute praktische Anleitungen, ließ das Schulamt verlauten. Es verlangte also von einer Kunststudentin mit langjähriger praktischer Erfahrung das zusätzliche Absolvieren eines 4-wöchigen Nachmittags-Malkurses für Anfänger an der Volkshochschule – andernfalls müsse diese das Fach Kunst während des Quereinstiegs nachstudieren.
Diese Beliebigkeit und nur scheinbare „Strenge“ in der Einstellung engagierter Quereinstiegskräfte kommt nicht selten einer Schikane gleich. Zumindest aber verhindert sie massiv, dass die Quereinsteiger zügig den personell unterbelegten Schulen und den überlasteten Lehrkräften zur Hilfe eilen können.
Ganz im Gegensatz zur herrschenden politischen Meinung, die die hohe Abbruchquote vorwiegend auf mangelnde Qualifizierungskonzepte zurückführt, darauf dass die Quereinsteiger alleine gelassen und pädagogisch „ins kalte Wasser geworfen werden“, scheint es doch nicht unerheblich zu sein, dass der Quereinstieg nicht zuletzt durch seine strukturellen Anforderungen und der daraus resultierenden Überforderung der Lehramtsanwärter für 50 % von ihnen scheitert.
Lösungsansatz: Die Ein-Fach-Lehrkraft
Ein neuer Ansatz, um sich anfangs weniger auf das Fachwissen und mehr auf die vorliegenden hohen pädagogischen Herausforderungen zu konzentrieren, ohne die Studenten in langen theoretischen Studien zu „bremsen“ und ohne die Quereinsteiger zu überfordern und deren vollwertigen Lehrantritt zu verzögern, besteht in einem sehr naheliegenden Konzept: Dem der Ein-Fach-Lehrkraft.
Ohnehin beschreitet Deutschland mit seiner Zwei-Fächer-Tradition im internationalen Vergleich einen Sonderweg: In vielen anderen Ländern, beispielsweise in Frankreich, müssen Lehrer nur ein Fach unterrichten.
Die Vorteile der Ein-Fach-Lehrkraft
Die Vorzüge der Ein-Fach-Lehrkraft liegen auf der Hand. Der Quereinsteiger könnte sich mit einem einzigen ihm fachlich vertrauten Unterrichtsfach wesentlich zügiger in pädagogische Prozesse einarbeiten. Diese haben, zumindest in der Grundschule, erheblicheren Einfluss auf den Lernerfolg als das reine Fachwissen. Hier spielen vor allem pädagogische Kenntnisse eine Rolle, unter anderem zu Themen wie:
- kindgerechte Wissensvermittlung
- Steigerung der Motivation
- Lernschwierigkeiten erfassen und gegenarbeiten
- Lerntechniken erfolgreich anwenden
- Einfühlungsvermögen in die kindliche Erfahrungswelt
Des Weiteren könnten auch ausländische Lehrkräfte zügiger zugelassen werden. Dies würde die Situation gewichtig ändern: 9 von 10 Bewerbern im Quereinstieg werden abgelehnt.
Die Studierenden könnten sich bereits nach 3 Jahren Studienzeit in das Lehramt einstellen lassen, wodurch sich die Anzahl der nachströmenden Lehrkräfte vergrößern würde.
Die Nachteile der Ein-Fach-Lehrkraft
Wie bei allen Konzepten, hat auch die Idee zur Ein-Fach-Lehrkraft ihre Nachteile:
- Lehrer können weniger flexibel bei Unterrichtsausfall von Kollegen einspringen
- Sie können nicht interdisziplinär eingesetzt werden
- Ihnen fehlt es langfristig an fachlicher Abwechslung
Zusätzlich nachteilig ist es, dass nicht die Länder über solche Umstellungen entscheiden, sondern die Kultusministerkonferenz (KMK). Demnach sind also keine schnellen Entscheidungen diesbezüglich zu erwarten.
Angesichts der drastischen Vorhersagen sind schnelle Änderungen, Alternativen, Sonderwege jedoch wünschenswert: Bis zum Jahr 2025 werden allein an Grundschulen mindestens 26.300 Lehrer fehlen, so vermeldete die Bertelsmann-Stiftung in 2019.
Bildquellen
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Quellen
- https://deutsches-schulportal.de/diskussion/wolfgang-boettcher-die-ein-fach-lehrkraft-eine-abwegige-idee/
- https://deutsches-schulportal.de/expertenstimmen/bildungsforscher-klaus-klemm-ein-fach-lehrer-eine-einfache-loesung/
- https://www.berliner-zeitung.de/lernen-arbeiten/lehrermangel-oeffnet-unsere-schulen-endlich-fuer-ein-fach-lehrer-li.269407
- https://www.cnv-medien.de/news/schule-viele-quereinsteiger-brechen-ab.html
- https://www.tagesspiegel.de/berlin/quereinsteiger-ins-lehramt-berichten-aus-berlins-schulalltag-6614662.html
- https://www.tagesspiegel.de/berlin/senat-schafft-es-nicht-quereinsteiger-besser-zu-verteilen-6868891.html
- https://www.welt.de/wirtschaft/karriere/article200240858/Quereinsteiger-Lehrer-Wie-stehen-die-Chancen-Alle-Infos-Tipps.html
- https://www.welt.de/wirtschaft/karriere/bildung/article199909580/Bertelsmann-Studie-An-Grundschulen-fehlen-mehr-Lehrer-als-gedacht.html
Guten Tag Frau Nilz,
*Nachteile der Ein-Fach-Lehrkraft an der Grundschule – direkter Quereinstieg in Niedersachsen*
Eingruppiert in EG 10 – sollte es zu A13/E13 auch für Lehrkräfte an der Grundschule kommen, werde ich nur in die EG 11 höhergruppiert.
In Zahlen bedeteutet dies netto derzeit vergleichend:
E10 – Stufe 2
netto bleiben: 2371.19 €
E11 – Stufe 2
netto bleiben: 2439.21 €
E13 – Stufe 2
netto bleiben: 2742.29 €
E10 – Stufe 3
netto bleiben: 2511.06 €
E11 – Stufe 3
netto bleiben: 2579.75 €
E13 – Stufe 3
netto bleiben: 2858.68 €
Trotzdem muss ich natürlich flexibel einsetzbar sein und auch fachfremd unterrichten!
Eine Facherweiterung wäre also die logische Konsequenz, gestaltet sich aber schwierig – habe noch keine Lösung … 🙁
Im Job werde ich definitiv bleiben – die geringe Wertschätzung seitens meines Arbeitgebers macht trotzdem traurig. Es strengt an, diesen Frust mental kompensieren zu müssen.
Viele Grüße aus dem Norden
P.C.K.
Danke für das Teilen Ihrer Erfahrung!
Die geringe Wertschätzung ist sehr bedauerlich, vielen Lehrern geht es wohl sehr ähnlich.
Bei der Aktion „Ja13“ der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wird das Problem derjenigen, die bisher nach E10 bezahlt werden, in der Tat kaum zur Sprache gebracht.
Wir hoffen sehr, dass kommende Maßnahmen nicht nur Symbolcharakter haben, sondern den Lehrern direkt helfen und ihnen den Rücken stärken!
Alles Gute!
Nicole Nilz und Ihr SpielundLern-Team