ADHS bei Mädchen – Achtung, dies wird häufig übersehen

Es wird angenommen, dass 500.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland von ADHS betroffen sind, angeblich soll ADHS bei Mädchen bis zu 4 Mal seltener als bei Jungen vorkommen. Doch stimmt das wirklich?

Mittlerweile geht die Forschung aber davon aus, dass ADHS möglicherweise unabhängig vom Geschlecht auftritt, jedoch bei Jungs häufiger diagnostiziert wird. Dies führt zur Schlussfolgerung, dass entweder die Jungen fehldiagnostiziert werden oder die Dunkelziffer bei Mädchen höher ist als angenommen. Nach heutigem aktuellem Kenntnisstand stimmt beides. Warum ist das so?

ADHS – Definition und Symptome

Definition

Der Zappelphilipp steht stellvertretend für ADHS-betroffene Kinder. Daher wird ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, auch Zappelphilipp-Syndrom genannt. ADHS kann sowohl Kinder als auch Erwachsene betreffen, denn es „wächst sich nicht aus“, sondern besteht im Erwachsenenalter weiterhin – nur mit etwas veränderten, häufig abgemilderten Symptomen.

ADHS ist nach heutigen Erkenntnissen erblich bedingt. Hat ein Elternteil ADHS, so sind die 20-30 % der Kinder ebenfalls betroffen. Haben beide Eltern ADHS, so tritt es bei 80-90 % ihrer Kinder ebenfalls auf.

Häufigkeit

Das Robert Koch-Institut erhob 2018 bei rund 13 000 Kinder und Jugendlichen von 3 bis 17 Jahren die Häufigkeit, von ADHS betroffen zu sein. Das Ergebnis: 6,5 Prozent der Jungen und 2,3 Prozent der Mädchen in dieser Altersgruppe hatten ADHS. Auch internationale Studien kommen auf mehr betroffene Jungs als Mädchen. Nachdenklich macht jedoch der stark schwankende männliche Überhang von 2 : 1 bis 10 : 1.

Interessant ist, dass das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Erwachsenen nur noch bei 1,5 : 1 liegt. Die Gründe für das Missverhältnis in den Studien sind nicht gänzlich geklärt. Hingegen scheint das Verhältnis im klinischen Alltag ausgeglichen zu sein.

Symptome

ADHS zeigt unterschiedliche Symptome, die besonders in jenen Situationen auffallen, in denen Konzentration und Ausdauer nötig sind: beispielsweise in der Schule, bei Prüfungen, im Berufsleben. Symptome fallen in einem günstigen, privaten, wenig strengen Umfeld weniger auf, als in einem durch Schule oder Beruf auferlegten oder stark stukturierten Umfeld.

Typische Symptome sind:

• starker Bewegungsdrang,
• innere Unruhe,
• mangelnde Impulskontrolle,
• hohe Reizoffenheit,

• Ablenkbarkeit,
• Vergesslichkeit und
• übermäßiges Tagträumen.

Mädchen und ADHS

Besonderheiten des ADHS bei Mädchen

Grundsätzlich scheint ADHS bei Mädchen seltener aufzufallen. Dies mag daran liegen, dass Mädchen und Frauen grundsätzlich andere Verhaltensweisen an den Tag legen als Jungen. In der Tat verhalten sich weibliche Betroffene mit ADHS seltener aggressiv als Jungen und Männer, sie sind häufig sozial angepasster und folglich weniger „auffällig“ in ihrer Symptomatik. Dennoch leiden sie unter den selben Verhaltens- und Empfindungsweisen, die ADHS mit sich bringt.

Dazu kommt bei Mädchen häufiger die ADS-Form vor – ohne Hyperaktivität. Dadurch fallen diese weniger durch Unruhe auf, stören weniger im Unterricht und sind damit bezüglich ADHS „unsichtbarer“ als Jungs. ADHS bei Mädchen ist vielmehr durch stille Symptome wie Tagträumen oder langsames Arbeiten sowie Abschweifen und Vergesslichkeit gekennzeichnet. Sie können sich schlecht organisieren und sind chaotisch.

Des Weiteren kompensieren Mädchen aufkommende Symptome, sie übererfüllen unter vielfacher Kraftanwendung Erwartungen von Schule und Umfeld und passen sich meist stärker an als Jungs. Dazu kommen ihre oftmals stärker ausgeprägten sozialen Komponenten.

Falsche Parameter

Es gibt des Weiteren die Annahme, dass die Diagnosekriterien, die eingesetzt werden, die Symptome nicht ausreichend erfassen können. Dies liegt daran, dass die Kriterien, die infolge von klinischen Studien festgelegt wurden, nicht für beide Geschlechter gelten. Ursächlich dafür ist, dass an diesen Studien überwiegend Jungen teilnahmen. Die meisten Bewertungsparameter sind folglich auf männliche Patienten geeicht.

Falsche Einschätzung des Umfelds

Eine Studie bezüglich der Bewertung von Auffälligkeiten bei Jungs und Mädchen ergab dies, was andere Studien und Test längst bestätigt haben: Das Umfeld ist vorbelastet und entscheidet tendenziös nach eigener Erfahrung und Erwartung. Es schätzt Symptome je nach Geschlecht anders ein. Konfrontiert mit männlichen und weiblichen Namen gaben Lehrer häufiger einen ADHS-Verdacht und die Empfehlung zu einem Besuch beim Facharzt, wenn es sich um einen männlichen Namen handelte.

Falschdiagnosen

Mädchen, bei denen ADHS nicht erkannt wird, bekommen häufig andere Diagnosen, so beispielsweise die Diagnose einer emotionalen Störung mit emotionaler Dysregulation.

Folgen für nicht erkannte ADHS-Symptome bei Mädchen

Die Folgen bleiben bis zur häufig späten Diagnose und sind beträchtlich für die betroffenen Mädchen und weiblichen Jugendlichen:

• sie überkompensieren, damit geraten sie eher in Überforderungssituationen
• das Selbstwertgefühl leidet, denn Vieles ist mit Anstrengung verbunden
• es festigt sich die Angst, etwas falsch oder nicht gut genug zu machen, wodurch Phobien oder Panikattacken entstehen können
• häufig leiden die schulischen Leistungen
• die Lernmotivation nimmt ab
• chronische Überforderungs- und Übermüdungssymptome kommen auf
• dauerhafte Anspannung und Stress führen zu Somatisierungen wie etwa Essstörungen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Schwindel
• starkes Übergewicht (Adipositas bei 40 % der Betroffenen)
• internalisierende Störungen wie Depression.

Eine Lösung besteht langfristig nur durch geänderte Diagnoseparameter. Dies jedoch setzt neue Studien voraus, in denen Mädchen zu gleichen Teilen eingebunden werden. Die Lösung ist demnach nicht nah und nicht leicht zu erreichen, jedoch elementar für betroffene Mädchen.

Weiters sind Anlaufstellen für Betroffene selten, ebenfalls Familienberatungen, in denen die gesamte Familien von Mädchen mit ADHS Unterstützung finden könnte.

Auffangend und unterstützend sind jedoch gemeinnützige Gremien wie die Elternselbsthilfe ADHS und die Arbeitsgemeinschaft ADHS der Ärzte, die als erste Anlauf- und Informationsstelle und Begleitung dienen können.

Bildquellen

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Quellen

• https://de.wikipedia.org/wiki/Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivit%C3%A4tsst%C3%B6rung
• https://www.spektrum.de/news/adhs-uebersehene-maedchen/2189250?utm_source=pocket-newtab-de-de
• https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Maedchen-haben-offenbar-genauso-haeufig-ADHS-wie-Jungen-385682.html
• https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S5_2021_Asthma_Adipositas_ADHS.pdf?__blob=publicationFile
• https://www.adhs-deutschland.de/adhs-adhs-ads/das-aufmerksamkeitsdefizitsyndrom-ohne-hyperaktivitaet
• https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/15374416.2020.1852942
• https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/10634266040120040501
• https://www.morgenpost.de/ratgeber/article239917503/ADHS-Wie-Hirschhausen-geht-es-vielen-Erwachsenen.html?utm_source=pocket-newtab-de-de
• https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/kinderpsychologie-jungen-sind-verhaltensauffaelliger-als-maedchen-a-896297.html
• https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/maennergesundheitsbericht-aerzte-ignorieren-psychisches-leid-der-maenner-a-896116.html
• https://www.adhs.info/fuer-eltern-und-angehoerige/adhs-was-ist-das/