Was bedeutet Reizüberflutung?
Reizüberflutung ist die Umschreibung für eine Überlastung des Nervensystems mit Reizen von Außen. Eine andere Bezeichnung für diesen Zustand der „Überladung“ ist sensory overload. Eine Überflutung mit Reizen kann dabei aus einem bestimmten Umfeld herrühren und gleichzeitg begünstigt werden durch bestimmte charakterliche Anlagen. Es handelt sich demnach um eine im Außen stattfindende Reizüberladung in Verbund mit einer zeitweisen oder angeborenen Empfindlichkeit und Dünnhäutigkeit im Inneren.
Die Überforderung des Nervensystems kann alle Sinne betreffen: Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten. Vor allem betrifft die Reizüberflutung visuelle und aktustische Reize.
Auslöser von Reizüberflutung
Die Auslöser einer Reizüberflutung können höchst individuell sein. Auslöser sind:
- Lärm
- große Menschenmengen
- ausgedehnte Partys
- Fernsehkonsum
- PC-Spiele
- Internet
- Ständige Ansprechbarkeit
- Arbeiten mit vielen Menschen
- Arbeiten in lauter Umgebung
- Multi-Tasking
Auch innere Prädispositionen oder Krankheiten können eine Reizüberflutung auslösen: Auf Reize besonders empfindlich reagieren:
- Autisten
- HSP, also Hochsensible Menschen
- Menschen mit AD(H)S
- Menschen mit psychischen Erkrankungen
Reizüberflutung Symptome bei Erwachsenen
Unbeherrschtheit
Gerade Menschen, die zu cholerischen Anfällen neiden, werden im Falle einer Reizüberflutung unbeherrscht. Sie werden laut und wirsch. Auffällig wird dies, wenn die emotionalen Ausfälle Situtationen betreffen, die objektiv gesehen weder „schlimm“ noch besonders konfliktbeladen sind. Eine Tomate rollt vom Frühstückstisch, das Kind verschüttet ein Glas Wasser, der Nachbar über einem verschiebt geräuschvoll Möbel.
Immer also, wenn die auslösende Situation in keinem nachvollziehbaren Verhältnis steht mit der Reaktion, ist eine vorausgegangene und noch stattfindende Überlastung des Nervensystems anzunehmen.
Streitsucht
„Aus einer Mücke einen Elefanten machen“, das ist eine Auswirkung von Reizüberflutung. Die Überforderung mit Reizen kann zu einem „Stau“ führen. Dieser kann sich Bann brechen beispielsweise in einer Streiterei oder Stichelei. Ein Streit, der laut wird, bei dem Wut oder sogar Türenknallen entsteht, kann auch eine Möglichkeit des Nervensystems sein, angestauten Druck rauszulassen und damit die innere Spannung zu besänftigen.
Depressive Verstimmungen
Leise und kaum merklich schleicht sich die depressive Verstimmung in das Leben überforderter Menschen. Reizüberflutung im Beruf, zu Hause, im Alltag mit der Familie kann sich als depressive Phase anfangs leise und kaum merklich zeigen. Im Gegensatz zum explosiven Reaktionsspektrum der Reizüberflutung gehört die Depression zu den langandauernden, für die Betroffenen schmerzlichsten, hingegen für die Außenwelt eher stillen Folgen. Betroffene ziehen sich zunehmend zurück, sie können sich für Hobbys kaum noch begeistern, sie reduzieren soziale Kontakte auf das Nötigste, fühlen eine gedrückte Grundstimmung oder sie reagieren sehr emotional auf kleine Störungen oder Abweichungen im Alltag.
Leistungsabfall
Häufig geht mit einer Reizüberflutung ein derart hoher Stresspegel einher, dass normale Aufgaben im Alltag oder auf Arbeit, in der Schule oder der Lehre nicht mehr bewältigt werden können. Es kommt zu einem stetigen Leistungsabfall. Dieser verläuft anfangs häufig unbemerkt. Ein Leistungsabfall zeigt sich in zunehmenden Fehlern auf Arbeit, in fehlender Motivation, in steigenden Abwesenheitszeiten.
Krankheit
Nicht zuletzt können sich aufgrund einer Reizüberflutung über längerer Zeit körperliche Symptome entwickeln. Es kommt u.a. zu:
- einer hohen Geräuschempfindlichkeit,
- Schreckhaftigkeit
- Schlafstörungen
- Hektik und
- allgemein zu einem breiten Spektrum psychosomatischer Beschwerden.
Reizüberflutung Symptome bei Kindern
Reizüberflutungssymptome bei Kindern zeigen sich meist unmittelbar auf körperlicher Ebene. Die Kinder werden hektisch, laut, weinen oder hauen. Aber auch nicht unmittelbar offensichtliche psychische Folgen sind möglich: Wie bei Erwachsenen auch kann sich Reizüberflutung in einem schulischen Leistungsabfall oder depressiven Verstimmungen äußern. Ebenfalls spät als Folge erkannt sind körperliche Unruhefolgen wie Schlafstörungen, Alpträume, Schreckhaftigkeit oder allgemeine Unruhe. Viele Kinder fangen an zu psychosomatisieren, indem sie Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen beklagen.
Schreien und Weinen
Natürlich weinen Kinder meist mehr als Erwachsene und dies sollte auch nicht unterbunden werden. An sich ist dies immer mit einer guten Autoregulation verbunden. Stresshormone werden ausgespült, Druck herausgelassen und Stress oder Wut somit wieder besänftigt.
Erfahrungsgemäß läßt sich das entlastende Weinen aus Traurigkeit von dem überreizten Weinen gut unterscheiden. Letzteres fällt meist schrill aus, ist unbeherrscht und mit Wutausbrüchen verbunden. Dabei lassen sich die Kinder kaum beruhigen. Tröstende Worte oder Nähe werden abgelehnt oder steigern die Wut noch.
Aggressives oder autoaggressives Verhalten
Zum aggressiven Verhalten von reizüberfluteten Kindern gehören hauen oder beißen. Dabei sind vor allem jene Personen betroffen, mit denen das Kind Umgang hat. selten betrifft es Fremde. Gerade in der Kita oder anderen Kindergruppen, aber auch zu Hause wird die Wut gegen Freunde, Geschwister oder Eltern gewendet. In seltenen Fällen kommt auch autoaggressives Verhalten vor, bei dem sich Kinder mit dem Kopf gegen die Wand stemmen oder den Kopf auf dem Boden hauen, was zu blauen Flecken bis zu Platzwunden führen kann.
Rückzug und Traurigkeit
Sind Kinder überfordert durch die Reizmenge in ihrer Umgebung, so neigen sie dazu, sich stark zurückzuziehen. Häufig geht der Rückzug mit einer gedrückten Stimmung einher. Die Kinder lachen selten, sind in ihre Gefühlsäußerungen eher gedämpft und sie sprechen weniger. Können sich Kinder nicht zurückziehen, so führt dies in der Regel zu oben beschriebenem explosiven Verhalten.
Konzentrationsprobleme und Lernschwäche
Was beim Erwachsenen zum Leistungsabfall auf Arbeit führt, führt bei Kindern und Jugendlichen zu Lernproblemen in der Schule. Die Mitarbeit in den Schulstunden nimmt ab, das Engagement sinkt, die Noten werden zunehmend schlechter.
Was tun bei einer Reizüberflutung?
Umfeld optimieren
Erst einmal ist es wichtig, den Grund für die Reizüberflutung herauszufinden. Denn nur so können Erwachsene und Kinder für Entspannung im Alltag, auf Arbeit oder in der Schule sorgen. Es ist nicht einfach, eine Umgebung reizarm zu gestalten. Gerade in beengten Wohnverhältnissen, in der Schule oder im hektischen Arbeitsumfeld gestaltet sich dies zur Herausforderung.
Wie das Problem sind auch die Lösungen ebenfalls sehr individuell. Es kann helfen:
- aus dem Großraumbüro in einen kleineren Raum zu wechseln
- aus der Kundenbetreuung, dem Verkauf oder ähnlichen reizstarken Jobs zu wechseln
- sich in einem Zimmer einen Ruheraum schaffen, in dem man sich zurückziehen kann
- für die Hausaufgaben einen speziellen schönen Platz herzurichten
- Lautabdämpfende Kopfhörer in der Schule oder im Büro die Lieblingsmusik aufs Ohr
Reaktion auf Reizüberflutung begleiten
Bei reizüberfluteten Kindern spielt die Co-Regulation eines Erwachsenen eine große Rolle. Erwachsene sind dabei angehalten, stürmische Reaktionen zu begleiten, das Kind zu halten, nicht allein zu lassen und die Gefühle zu benennen und ihnen Raum zu geben. Weiterhin hilft es:
- dem Kind eine Hand auf dem Rücken zu legen oder es auf dem Schoß oder Arm zu nehmen,
- ein Lied vorsingen, ihm eine entspannte Geschichte erzählen oder gemeinsam eine Hör-CD hören,
- mit dem Kind ein ruhiges Umfeld aufsuchen und
- eine ruhige Bastelaufgabe gemeinsam machen oder ein Buch vorlesen oder
- Fantasiegeschichten oder Traumreisen,
- Entspannungsübungen sowie
- Yoga für Kinder machen.
Reizüberflutete Erwachsene müssen sich in der Regel selbst helfen, es sei denn, sie stehen mit einem Therapeuten in Kontakt. Hier hilft meist entweder sportliche Aktivität oder tiefe Entspannung, wie beispielsweise:
- jegliche Sportbetätigung ohne Wettbewerbscharakter wie Joggen oder Fahrradfahren
- Spaziergänge in der Natur
- Yoga oder Tai-Chi ausüben
- sich freie Tage ohne Aktivität vornehmen
- regelmäßige Pausen im Alltag
- Abgrenzung und „Nein“-Sagen üben
- Atemübungen durchführen.
Da unsere Gesellschaft durch den Medienkonsum und die neuen Medien immer mehr Reize an uns sendet, wir uns fast nirgendwo reizarm aufhalten können, wird der Umgang mit Reizüberflutung in Zukunft sicher eine immer dringlichere Herausforderung werden.
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Quellen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Reiz%C3%BCberflutung
- https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/reizueberflutung/12790
- https://lexikon.stangl.eu/25909/reizueberflutung
- https://www.kita.de/wissen/reizueberflutung-bei-kindern/
- https://www.clicclac.de/articles/reizuberflutung-wie-damit-umgehen
- https://editionf.com/wenn-reize-schmerzhaft-werden-hochsensibilitaet-bei-kindern/
- https://www.buntekreide.de/2015/hochsensibilitaet-in-der-schule/
- https://blog.lebensbruecke.de/start/ueberforderung-bei-kindern-erkennen
- https://blog.lebensbruecke.de/start/ueberforderung-bei-kindern-erkennen
- https://www.focus.de/familie/eltern/konzentrationstrainerin-es-gibt-eine-reizueberflutung-in-unserer-gesellschaft-so-sollten-eltern-reagieren_id_12570964.html
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