Persönlichkeitstypen – Wie Schüler ihre Stärken kennenlernen

Persönlichkeitstypen und Schule –

ein Widerspruch?

Während in der Coachingszene, in Weiterbildungskursen für Verkäufer, Vertreter, Führungskräfte oder Abteilungsleiter, in der Erwachsenenbildung oder im Psychologiestudim das Wissen um die Persönlichkeitstypen einer der grundlegenden Quellen des charakterlichen Reifeprozesses und persönlichen Weiterbildung darstellt, sickert dieses Wissen kaum an die Lehrerschaft, an jene also, die Kindern und Jugendlichen den Großteil des Tages Wissen und Orientierung vermitteln sollen.

Das liegt stark an den Inhalten, die im Lehramt gelehrt werden. Diese bewerten reine Schulfachkenntnisse höher als Praxiskenntnissse zu gruppendynamischen Prozessen im Allgemeinen und zur Persönlichkeitsentwicklung im Konkreten.

Dazu suggerieren die Lehrpläne, dass jedes Kind „alles“ können muss. Kann ein Mensch ein gleichermaßen mathematisches wie sprachliches Vermögen aufweisen, im gleichen Zuge wie es ein Talent für Kunst und Fremdsprachen hat, dazu besonders athletisch sein, um in Sport nicht ausgelacht zu werden, und ausnehmend extrovertiert, um Vorträge und Lieder vor der Klasse zu performen? Während sich Erwachsene in ihrem späteren Bildungsweg und dem Berufsleben grundsätzlich immer spezialisieren, wird von Schülern seit jeher verlangt, dass sie in allem gut, zumindest aber besonders fleißig sind. Darauf deutet beispeilsweise die Art hin, wie Noten in die Abschlussnote zusammenfließen, dass Hauptfächer gleichberechtigt nebeneinandergestellt werden und Sport oder Kunst nicht in den frühen Grundschuljahren abwählbar sind. Dabei stehen die Lehr- und Lernmethoden häufig im Gegensatz zu diesen hohen Ansprüchen an die Schüler.

Das fraktale Lernen beispielsweise würde dem universellen Wissensanspruch an die Schülerschaft Rechnung tragen, wird jedoch nur punktuell und lediglich an einer Handvoll deutscher Schulen angewandt.

Das Wissen um den eigenen Persönlichkeitstyp als Potential

Warum sind Kenntnisse über die Persönlichkeitstypen so wenig verbreitet bei Kindern, bei Schülern, bei Heranwachsenden? Dabei bräuchten sie sie dringend und könnten daraus Erkenntnisse für das ganze Leben schöpfen.

Sich selbst kennenlernen und auf sich selbst und seine Bedürfnisse achten ist ohne Frage elementar, um Stress vorzubeugen, um Grenzen zu setzen, um auf sich selbst acht zu geben und um stabile, langfristige Lernerfolge zu haben. Selbstfürsorge, Selbstliebe und ein Fokus auf die eigenen Fähigkeiten wären im schnelllebigen und häufig bedrückenden Schulalltag vieler Kinder und Jugendliche die beste Lösung gegen Stress von außen, für die Bündelung der Kräfte, für den Fokus auf die Stäken und Talente.

Was sind Persönlichkeitstypen?

Die Aufteilung in Persönlichkeitstypen gründet sich auf die Typenlehre. Diese kategorisiert Menschen nach Eigenschaften. In der Psychologie trifft die Typenlehre auf Kritik, da sie eine vielfalt menschlicher Charakterzüge zwangsweise vereinfachen und skizzieren muss, um sie als unterschiedliche „Typen“ zu bündeln und voneinander abzugrenzen.

Gleichzeitig hilft jedoch das Wissen um die unterschiedliche Ausprägung der Charaktereingeschaften dazu, sich selbst besser kennenzulernen. Dies verhilft einem, sich auf die Stärken zu konzentrieren und die Schwächen zu akzeptieren.

Die Persönlichkeitspsychologie arbeitet mit Persönlichkeitstypen, um grundlegende Merkmale herauszuarbeiten und die Lebensführung und Lebensplanung darauf auszurichten.

Geschichte der Typenlehre

Hippokrates und Aristoteles entwickelten als erste ab 400 v. Chr. die Typenlehre. Sie gingen davon aus, das unterschiedlich beschaffene Körpersäfte, wie Blut oder Verdauungsflüssigkeiten, die Ausprägung der Menschentypen bestimmen. Der Arzt Galenos von Pergamon prägte die vier Typen Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker und Melancholiker.

Die nächste große Entwicklung der Typenlehre erfolgte aus psychologischer Sicht durch C. G. Jung. Die Aufteilung in Typengruppen war ihm aus therapeutischer Sicht wichtig, denn Jung ging davon aus, dass jeder Typ eine andere Art der Therapie benötigen würde und daher die Bestimmung des Persönlichkeitstyps Teil des Behandlungserfolgs war.

Jung unterschied insgesamt acht Typen. Grundlegend ging Jung von zwei Einstellungstypen aus: extravertiert und introvertiert. Diese zwei Einstellungstypen beschreiben, auf welcher Weise der Mensch „seine Batterien auftankt“, ob nach Außen orientiert, in Kontakt mit anderen, oder nach Innen orientiert. Zu diesen zwei grundlegenden Typen gehörten je vier Bewusstseinsfunktionen: das Fühlen, das Denken, die Empfindung und die Intuition. Demnach ist etwa der extravertierte Denktyp sachlich und intellektuell, der introvertierte Intuitionstyp hingegen verschlossen und visionär.

Myers-Briggs-Typindikator

Die MBTI, wie diese im Coachingbereich und der Managementlehre weit verbreitete Methode der Typenlehre heißt, greift auf C. G. Jungs acht Typen zurück und kommt durch die Kombination der 8 Typen untereinander auf insgesamt 16 Typen. Ebenfalls von der Außen- oder Innen-Orientierung Extrovertion und Introvertion ausgehend unterscheidet sie vier Ausrichtungen: Motivation und Antrieb, Aufmerksamkeit, Entscheidung sowie Lebensstil.

Der Myers-Briggs-Typindikator arbeitet sehr eingängig und leicht verständlich mit Buchstaben für jede zugewiesene Eigenschaft, der Typ besteht also abschließend aus vier Buchstaben. „I“ steht für introvertiert, „E“ für extravertiert, was die Ausrichtung der Motivation und des Antriebs beschreibt. Die Aufmerksamkeit kann sensorisch („S“) oder intuitiv sein („N“, da „I“ schon vergeben). Trifft der Testteilnehmer die Entscheidnung nun im Modus „Feeling“ („F“) oder im „Thinking“ („T“)? Folgt sein Lebensstil einem festen Plan und Regeln (Judging = Urteil = „J“) oder entspricht es einer Anpassung und Herantastung („Perceiving“ = Wahrnehmen = „P“)?

INFP ist dabei der Träumer, ENFP der Freigeist, INFJ ist der weise Visionär, ENFJ der charismatische Leader, INTJ entspricht dem Wissenschaftler. ENTJ ist der rationale Leader, INTP ist der Grübler, ENTP der Debattierer. ISTJ ist der Pflichterfüller, ESTJ der pragmatische, gewissenhafte Leiter. ISFJ ist der Beschützer, ESFJ der Sympathieträger, ISFP der Genießer, ESFP der Entertainer, ISTP der Ingenieur, ESTP der Gründer.

Die Erfassung dieser psychologischen Typen wird nach wie vor angewendet, entspricht aber nicht den heutigen psychologischen Persönlichkeitsmodellen und steht teils unter Kritik, dazu ist sie bisher nicht wissenschaftlich erforscht und ausgewertet. Ihr gegenüber steht die wissenschaftlich fundierte und sehr ausführliche NEO-PI-Merkmaltest.

Wertvolles Persönlichkeitswissen für Kinder und Jugendliche

Persönlichkeitstypen leicht erklärt

Wir alle sind unterschiedlich. Die einen sind besonders geduldig, ruhig und können gut zuhören, andere wiederum sind aufbrausend, gesellig und stellen sich selbst in den Mittelpunkt. Es gibt sportliche oder unsportliche, offene oder verschlossene Menschen, optimistische oder skeptische, gefühlvolle oder kühle Persönlichkeiten.

Geprägt wird unser Persönlichkeittyp einerseits durch unsere Gene, andererseits durch unser Umfeld und unsere Biographie. Diese drei Einflussbereiche können sich verstärkend oder mildernd aufeinander auswirken, wobei sich die Auswirkungen auf vielerlei Faktoren begründen und nicht vorhergesagt werden können. Ein besonders introvertierter, ängstlicher Mensch wird beispielsweise durch unfreiwillige Exposition in seiner Kindheit vermutlich noch ängstlicher werden und sich verstärkt zurückziehen. Eine eher kühle Persönlichkeit wird bei emotionalen Grenzsituationen verstärkt emotionale Kühle zeigen. Genau so aber kann ein emotional bedrückendes Erlebnis bei gefühlvollen Menschen auch zum umgekehrten Fall von innerem Erstarren und emotionaler Kälte führen. Die Variationsmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.

Auch wenn man also nicht genau sagen kann, warum man diesem oder jenem Persönlichkeitstyp entspricht, und nicht vorhersagen kann, welche Auswirkungen bestimmte Entscheidungen auf die eigene Persönlichkeit haben werden, so ist dennoch das Wissen darum, wie man „tickt“, sehr ergiebig.

Vorteile für Kinder und Jugendliche

Kinder und Jugendliche können anhand der Persönlichkeitstypen schon früh:

• sich selbst, ihr Inneres, ihre Leidenschaften und Talente, ihre Fähigkeiten kennenlernen
• wie auch jene Dinge erkennen, die ihnen nicht liegen und deren Erarbeitung sie viel Kraft kostet,
• sich auf die Stärken des eigenen Persönlichkeitstyps konzentrieren,
• ihre Lieblingsfächer und -tätigkeiten erkennen und ausbauen,
• sich Dinge, die nicht zu den eigenen Stärken gehören, aneignen oder sie bei Möglichkeit vermeiden
• milder mit Fehlern oder schlechten Noten in Fächern umgehen, die den eigenen Stärken nicht entsprechen,
• Akzeptanz üben bezüglich all jener Fähigkeiten, die dem eigenen Persönlichkeitstyp entgegenstehen
• den Blick schärfen für all jene Fähigkeiten, die ihnen liegen und die sie „von Natur aus“ beherrschen oder ihnen wenig Mühe machen.

Das Wissen um die Persönlichkeitstypen ist also ein Wissen, dass auf die Stärken fokussiert und die Kinder und Jugendlichen positiv bestärkt. Denn es gibt schlicht kein Persönlichkeitstyp, bei dem negative Eigenschaften vorwiegen. Es gibt Stärken und Schwächen, ausbalanciert und fair verteilt – und immer ist der Fokus auf die Stärken und den Bereichen, denen sie zugute kommen.

Bildquellen

• Pexels @ Roman Odintsov
• Pixabay @ Kathleen Bergmann
• Pixabay @ Prawny
• Pexels @ Michelle Leman
• Pixabay @ Pexels
• Pexels @ Susanne Jutzeler Sujufoto
• Pexels @ Hannah Nelson

Quellen

• https://de.wikipedia.org/wiki/Typenlehre
• https://de.wikipedia.org/wiki/Myers-Briggs-Typenindikator
• https://www.psychologie-heute.de/gesellschaft/artikel-detailansicht/42520-persoenlichkeitstypen.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
• https://www.psychologie-heute.de/gesellschaft/artikel-detailansicht/42520-persoenlichkeitstypen.html
• https://www.sueddeutsche.de/karriere/persoenlichkeitstest-bewerbung-1.5154849
• https://greator.com/16-persoenlichkeitstypen/
• https://www.tobias-beck.com/persoenlichkeitstest/?utm_term=pers%C3%B6nlichkeitstypen&utm_campaign=Pers%C3%B6nlichkeitstest&utm_source=adwords&utm_medium=ppc&hsa_acc=2642197029&hsa_cam=17219576077&hsa_grp=145923357002&hsa_ad=640382038009&hsa_src=g&hsa_tgt=kwd-300762469424&hsa_kw=pers%C3%B6nlichkeitstypen&hsa_mt=b&hsa_net=adwords&hsa_ver=3&gad=1&gclid=EAIaIQobChMIyb3zqtezgAMV7oVoCR1VRQ_cEAAYAiAAEgJWNPD_BwE
• https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.mbti-persoenlichkeitstest-mhsd.6d234f00-46a7-4d79-b5da-9efb87e3c1ff.html
• https://www.16personalities.com/de/personlichkeitstypen
• https://karrierebibel.de/16-persoenlichkeitstypen/